Studie

Ghosting in Business Relations: Eine psychologisch-systemische Analyse eines stillen Machtinstruments im Marketingkontext

Autor
Brand Science Institute
Veröffentlicht
09. April 2025
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1. Einleitung

In einer zunehmend fragmentierten, digital überfrachteten und von latenter Unsicherheit geprägten Geschäftswelt gewinnt professionelle Kommunikation eine Schlüsselrolle in der Herstellung und Stabilisierung kooperativer Beziehungen. Dies gilt in besonderem Maße für den Marketingbereich, der durch projektbezogene, oft volatile Arbeitsstrukturen, kurze Entscheidungszyklen sowie eine hohe Wettbewerbsintensität geprägt ist. Gerade in diesem dynamischen Spannungsfeld erscheint kommunikative Verlässlichkeit als zentrales Strukturmoment funktionierender Geschäftsbeziehungen – und dennoch lässt sich eine Zunahme eines gegenläufigen Phänomens beobachten: Ghosting in Business Relations.

Der Begriff „Ghosting“, ursprünglich aus dem soziokulturellen Diskurs über zwischenmenschliche Intimbeziehungen stammend, beschreibt den abrupten und kommentarlosen Kontaktabbruch durch eine Partei – ohne abschließende Erklärung, ohne Rückmeldung, ohne soziale Rahmung. Übertragen auf den organisationalen Kontext bedeutet dies: Eine Partei, in der Regel ein potenzieller Auftraggeber, bricht den Austausch mit einem externen Dienstleister plötzlich und ohne ersichtliche Begründung ab – häufig nach bereits geleisteter Vorarbeit, konzeptionellen Vorschlägen oder sogar nach finaler Projektabsprache. Die Kommunikation versiegt kommentarlos, responsives Verhalten bleibt aus – und hinterlässt auf Seiten des Dienstleisters nicht nur wirtschaftlichen Schaden, sondern vor allem auch psychologische Verunsicherung, narzisstische Kränkung und systemisches Misstrauen.

Die zunehmende Verbreitung dieses Verhaltens ist keine triviale Randerscheinung, sondern ein Symptom makrosozialer Transformationsprozesse, die sich in der Struktur geschäftlicher Kommunikation niederschlagen. Drei Entwicklungen sind hierbei besonders relevant:

  1. Informationsüberlastung und Entscheidungsmüdigkeit: Die kognitive Verarbeitungskapazität von Entscheidern wird durch permanente digitale Erreichbarkeit, komplexe Stakeholder-Landschaften und einen inflationären Informationsfluss überstrapaziert. Dies fördert eine selektive, oft reaktive Kommunikationsweise, bei der offene Rückmeldungen zugunsten kognitiver Entlastung unterbleiben.
  2. Agilisierung und strukturelle Fluidität: Moderne Organisationen operieren in iterativen, dynamisch adaptiven Projektlogiken. Rollen und Verantwortlichkeiten sind temporär, Entscheidungsbefugnisse oft diffus verteilt – dies erschwert verbindliche Kommunikation, insbesondere in externen Schnittstellenbeziehungen.
  3. Zunehmende Marktunsicherheit und Risikoaversion: Ökonomische und geopolitische Instabilitäten, Innovationsdruck und strategische Unklarheit begünstigen kommunikative Vermeidung. Ghosting fungiert dabei als latent dysfunktionale Risikoreduktion – unangenehme Entscheidungen werden nicht expliziert, sondern durch Auslassung delegitimiert.

Begriffliche Bestimmung

Im Kontext dieser Studie bezeichnet Business Ghosting den bewusst in Kauf genommenen Abbruch einer bestehenden geschäftlichen Kommunikation durch eine Auftraggeberseite, ohne explizite Rückmeldung, Absage oder kommunikative Rahmung. Typischerweise tritt dies nach einer Phase substanzieller Interaktion auf – etwa nach Angebotsübermittlung, Pitch-Präsentation oder initialem Vertragsentwurf. Charakteristisch ist das vollständige Ausbleiben responsiver Handlungen trotz vorheriger Nähe und wechselseitiger Erwartungsbildung.

Abgrenzung zu verwandten Phänomenen

Zur wissenschaftlich fundierten Erfassung des Phänomens ist die differenzierende Abgrenzung zu ähnlich gelagerten Kommunikationsmustern unerlässlich:

  • Professionelle Ablehnung ist durch Klarheit, Transparenz und oftmals durch Feedback gekennzeichnet – sie markiert einen abgeschlossenen Interaktionsprozess.
  • Strategische Funkstille kann als bewusste taktische Maßnahme im Rahmen von Verhandlungen fungieren und zielt auf temporäre Positionierung, nicht auf vollständigen Abbruch.
  • Taktisches Schweigen tritt häufig in internen Abstimmungsphasen auf, impliziert jedoch implizit eine spätere Reaktivierung oder Erklärung.

Business Ghosting unterscheidet sich grundlegend: Es stellt keinen taktischen Kommunikationsakt dar, sondern eine kommunikative Verweigerung, die häufig psychodynamisch motiviert ist – etwa durch Vermeidungskonflikte, latente Schuldabwehr, Entscheidungsschwäche oder unbewusste Machtdemonstration. In dieser Hinsicht ist Ghosting kein Kommunikationsversäumnis, sondern Ausdruck eines strukturellen und psychologischen Spannungsverhältnisses, das auf der Schnittstelle zwischen organisationaler Unsicherheit und individueller Überforderung angesiedelt ist.

Ziel der Studie

Ziel der vorliegenden Studie ist es, die psychologischen, sozialen und kommunikativen Treiber von Business Ghosting systematisch zu erfassen, deren strukturelle Rahmenbedingungen zu beleuchten und insbesondere die kurz- wie langfristigen Folgen für beide beteiligten Parteien – Dienstleister und Auftraggeber – zu analysieren. Von besonderem Interesse ist dabei die Frage, welche Langzeitdynamiken entstehen, wenn es trotz vorherigen Ghostings zu einer späteren Zusammenarbeit kommt – und wie sich Vertrauen, Commitment und performative Qualität in solchen Beziehungen verändern.

2. Theoretischer Bezugsrahmen

2.1. Psychologische Grundlagen

Das Phänomen des Ghostings in geschäftlichen Beziehungen lässt sich nicht allein aus ökonomischen oder strukturellen Überlegungen heraus erklären. Vielmehr offenbart es eine psychologisch komplexe Dynamik, die auf tief verwurzelten intrapsychischen Prozessen basiert. Drei psychologische Theorien bieten dabei einen besonders fruchtbaren Zugang zur Analyse der motivationalen Basis dieses Verhaltens: die Bindungstheorie, die Theorie der kognitiven Dissonanz sowie das Konzept der Vermeidungsmotivation.

Bindungstheorie (Bowlby, Ainsworth): Unsichere Bindungsstile im Business-Kontext

Die Bindungstheorie, ursprünglich entwickelt zur Erklärung frühkindlicher Beziehungsmuster, hat in den letzten Jahrzehnten Eingang in die Organisationspsychologie gefunden. Sie geht davon aus, dass Menschen in sozialen Interaktionen – auch im professionellen Setting – stabile Beziehungsmuster aktivieren, die auf früh erlernten Bindungserfahrungen basieren. Diese Muster determinieren das individuelle Verhalten in Nähe-Distanz-Konflikten, bei Erwartungsenttäuschung oder in asymmetrischen Abhängigkeitsverhältnissen.

Im Business-Kontext zeigen insbesondere unsicher-vermeidende und ambivalente Bindungsstile eine hohe Relevanz.

  • Personen mit vermeidendem Bindungsstil neigen dazu, Nähe oder Verpflichtung zu meiden, insbesondere wenn sie emotionale Komplexität oder asymmetrische Verantwortung empfinden. Im Rahmen von Ghosting bedeutet dies: Der Auftraggeber vermeidet die Rückmeldung nicht aus Ignoranz, sondern aus dem psychischen Impuls, sich dem affektiven Stress eines „Nein-Sagens“ zu entziehen.
  • Ambivalente Bindungstypen hingegen erleben die Beziehung als konfliktbeladen – sie oszillieren zwischen Wunsch nach Kooperation und Angst vor Kontrolle oder Überforderung. Ghosting kann hier als impulsive Flucht vor einer als übergriffig empfundenen Erwartung verstanden werden, obwohl zuvor aktiv Nähe aufgebaut wurde (z. B. durch persönliche Gespräche oder positive Rückmeldungen).

These: Ghosting im Business-Kontext ist oft ein Ausdruck unbewältigter Nähe-Distanz-Dynamiken, die auf unsicheren Bindungsmustern beruhen und durch die asymmetrische Ausgangslage zwischen Auftraggeber und Dienstleister reaktiviert werden.

Kognitive Dissonanz (Festinger): Vermeidung der Konfrontation zur Reduktion interner Spannungen

Nach Festinger entsteht kognitive Dissonanz, wenn eine Person gleichzeitig zwei widersprüchliche Kognitionen hält – etwa „Ich möchte respektvoll kommunizieren“ vs. „Ich möchte diesem Dienstleister absagen“. Der resultierende Spannungszustand führt zu innerem Unbehagen, das aktiv reduziert werden muss.

Im Fall von Ghosting sind typische dissonante Situationen:

  • Der Entscheider hat Sympathie für den Dienstleister, kann oder will ihn aber nicht beauftragen.
  • Es liegt bereits ein hohes Maß an Vorleistung des Gegenübers vor, was ein Schuldgefühl auslösen kann.
  • Interne Gründe (Budget, Politik, Machtspiele) verhindern die Beauftragung – der externe Dienstleister kennt diese aber nicht.

Ghosting wirkt in solchen Fällen als dissonanzreduzierender Mechanismus: Durch den Kontaktabbruch kann die kognitive Spannung kurzfristig aufgelöst werden, ohne aktiv Verantwortung zu übernehmen. Das Ausbleiben der Absage wird dabei oft durch Rationalisierungen wie „Ich habe gerade keine Zeit“ oder „Er wird schon verstehen“ legitimiert.

These: Ghosting ist eine defensive Handlungsstrategie zur Vermeidung dissonanter Zustände, die durch das Spannungsverhältnis zwischen professionellen Ansprüchen und tatsächlichen Entscheidungsbedingungen entsteht.

Vermeidungsmotivation (Carver & White): Ghosting als Schutz vor negativem Affekt

Das Konzept der Vermeidungsmotivation basiert auf der Annahme, dass menschliches Verhalten durch zwei antagonistische Systeme beeinflusst wird: das Behavioral Activation System (BAS) und das Behavioral Inhibition System (BIS). Während das BAS Annäherung und Belohnung motiviert, reagiert das BIS auf mögliche Bedrohung oder Bestrafung – es aktiviert Vermeidungsverhalten bei antizipiertem negativem Affekt.

Im Kontext von Ghosting bedeutet dies: Der Entscheider antizipiert emotionale Belastung, Ablehnung oder soziale Irritation im Falle einer expliziten Absage – etwa durch

  • das Auslösen von Enttäuschung beim Gegenüber,
  • die Notwendigkeit, sich zu erklären oder zu rechtfertigen,
  • das Gefühl, jemandem Unrecht zu tun.

Um diese negativen Affekte zu vermeiden, wird der Kommunikationsakt gänzlich unterlassen. Das BIS hemmt damit nicht nur das kommunikative Verhalten, sondern verstärkt die Tendenz zur affektiven Vermeidung durch Inaktivität – also Ghosting.

These: Ghosting fungiert als emotionale Schutzstrategie gegenüber antizipierten negativen Reaktionen und ist Ausdruck einer erhöhten Sensitivität gegenüber potenziell aversivem Feedback.
Ghosting ist kein zufälliges oder rein strategisches Verhalten, sondern tief in psychischen Schutzmechanismen und Bindungsmustern verankert. Die genannten Theorien zeigen: Der Kommunikationsabbruch ist weniger ein rationaler Akt der Ignoranz als ein Ausdruck innerer Ambivalenzen, emotionaler Schutzbedürfnisse und kognitiver Regulationsversuche. Damit wird Ghosting zu einem psychologisch dichten Signal – und zu einem relevanten Untersuchungsgegenstand für die Business-Psychologie.

2.2. Kommunikationspsychologie

Das Phänomen des Ghostings in geschäftlichen Beziehungen lässt sich nicht losgelöst von den kommunikativen Prozessen verstehen, die es strukturell ermöglicht und psychologisch aufrechterhält. In der Kommunikationspsychologie finden sich zentrale theoretische Zugänge, die helfen, die feinen Bedeutungsverschiebungen, impliziten Signale und inneren Konflikte zu erfassen, die einem plötzlichen Abbruch von Kommunikation vorangehen. Drei klassische Perspektiven – das 4-Ohren-Modell von Schulz von Thun, die Axiome von Watzlawick sowie die Face-Theory von Goffman – erweisen sich dabei als besonders anschlussfähig, um Ghosting nicht nur als kommunikative Lücke, sondern als komplexes, mehrdimensionales Kommunikationsverhalten zu deuten.

Nach Schulz von Thun ist jede Aussage – bewusst oder unbewusst – auf vier Ebenen codiert: dem Sachinhalt, dem Appell, der Selbstoffenbarung und der Beziehungsebene. Gerade im Businesskontext ist die Beziehungsebene oft unterschwellig codiert, wird jedoch vom Gegenüber stark interpretiert und emotional verarbeitet. Im Falle von Ghosting stellt der völlige Ausfall kommunikativer Rückmeldung einen besonders ambivalenten Beziehungssignalakt dar. Denn auch das Schweigen oder das bewusste Ausbleiben einer Antwort enthält eine Botschaft – meist nicht auf der Sachebene („keine Entscheidung getroffen“), sondern auf der Beziehungsebene („du bist nicht wichtig genug für eine Rückmeldung“ oder „ich entziehe mich der Konfrontation mit dir“). Diese Leerstelle wird vom Dienstleister nicht neutral, sondern affektiv aufgeladen rezipiert. Das kommunikative Vakuum wird dabei häufig durch projektive Deutungen gefüllt, in denen sich Ohnmacht, Entwertung und Unsicherheit bündeln. Die semantische Uneindeutigkeit verstärkt Missverständnisse, da keine explizite Bezugsnorm gegeben ist, auf die sich die Kommunikation verlässlich zurückführen lässt. Ghosting erzeugt somit eine kommunikative Ambiguität, die gerade auf der Beziehungsebene als verletzend erlebt wird – unabhängig davon, ob dies von der ghostenden Person intendiert war.

In diesem Zusammenhang gewinnt das erste Axiom Paul Watzlawicks zentrale Bedeutung: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Auch die Weigerung zur Kommunikation ist immer ein Akt der Kommunikation – sie sendet Signale, etabliert Deutungsräume und erzeugt eine Beziehungskonstellation. Im Fall des Ghostings manifestiert sich dies als paradoxe Kommunikation: Das bewusste Schweigen signalisiert zugleich Nähe und Distanz, Interesse und Ablehnung, Offenheit und Rückzug. Diese Uneindeutigkeit hat eine doppelte Wirkung: Auf der einen Seite wird dem Ghostenden die Kontrolle über die Kommunikationssituation ermöglicht – indem er der Verantwortung für eine klare Positionierung entgeht. Auf der anderen Seite bleibt die Deutungsverantwortung vollständig beim Dienstleister, der das Verhalten interpretieren muss und damit häufig in einen psychischen Verarbeitungsprozess gezwungen wird, der von Unklarheit, Affektaufladung und Frustration geprägt ist. Die ghostende Seite nutzt somit die Nicht-Kommunikation als Form der impliziten Macht – eine subtile Form, durch Schweigen soziale Realität zu konstruieren und sich gleichzeitig vor den Konsequenzen expliziter Kommunikation zu schützen.

Ergänzend zur strukturellen Analyse kommunikativer Mechanismen liefert die „Face Theory“ von Erving Goffman eine tiefenpsychologische Perspektive auf das Motiv des Ghostens. Goffman argumentiert, dass Menschen in sozialen Interaktionen stets bemüht sind, ein bestimmtes Selbstbild – ihr sogenanntes „Face“ – aufrechtzuerhalten, also ihr soziales Selbst konsistent, integer und würdevoll erscheinen zu lassen. Kommunikation dient in diesem Modell immer auch der Gesichtswahrung – gegenüber dem Gegenüber, aber auch gegenüber sich selbst. Im Kontext von Ghosting bedeutet dies: Eine explizite Absage könnte mit der Gefahr einhergehen, das eigene positive Selbstbild zu beschädigen, etwa als unhöflich, hartherzig oder konfliktscheu wahrgenommen zu werden. Die Verweigerung einer Rückmeldung erscheint dann als Schutzmaßnahme zur Wahrung des eigenen Gesichts. Paradoxerweise wird durch dieses Schweigen jedoch genau das Gegenteil bewirkt: Während der Ghostende sein öffentliches oder internes Selbstbild kurzfristig schützt, erzeugt er beim Gegenüber genau jene negativen Eindrücke, die er eigentlich vermeiden will – etwa Intransparenz, Respektlosigkeit oder mangelnde Professionalität. Ghosting wird so zu einem performativen Akt der Selbstidealisierung auf Kosten der Beziehung.

Darüber hinaus deutet Goffman an, dass soziale Interaktionen stets ritualisiert ablaufen und durch implizite Erwartungen geregelt sind. Das Ausbleiben einer Rückmeldung bricht diese rituelle Ordnung und destabilisiert die soziale Interaktion. Aus Sicht der ghostenden Partei mag dieser Bruch wie eine „Entlastung“ wirken – insbesondere, wenn emotionale Konfrontation, Erklärungszwang oder innerbetriebliche Zwänge vermieden werden sollen. Aus Sicht der empfangenden Partei jedoch entsteht ein kommunikatives Trauma – ein Riss in der symbolischen Ordnung des Geschäftlichen, das traditionell auf Reziprozität, Verlässlichkeit und sozialer Balance beruht.

Ghosting ist somit kein bloßes Ausweichen oder Schweigen, sondern ein komplexer kommunikativer Akt, der Missverständnisse erzeugt, affektive Irritationen verstärkt und asymmetrische Deutungsräume erzeugt. Die Kommunikationspsychologie zeigt: Schweigen ist nicht neutral. Es spricht – laut, ambivalent und mit nachhaltiger Wirkung auf Vertrauen, Beziehung und Identität. Gerade in professionellen Kontexten, in denen Macht, Rolle und Status implizit codiert sind, kann Ghosting daher als Ausdruck tiefer kommunikativer Dysregulation verstanden werden – als stiller Gewaltakt in einer Welt, die eigentlich auf klarer Sprache beruht.

2.3 Macht- und Rollentheorie

Um das Phänomen des Ghostings in geschäftlichen Beziehungen umfassend zu verstehen, bedarf es neben psychologischen und kommunikativen Perspektiven einer soziologisch fundierten Betrachtung der zugrunde liegenden Macht- und Rollenkonstellationen. In der Interaktion zwischen Auftraggebern und Dienstleistern wirken nicht nur individuelle Motive und affektive Dynamiken, sondern auch symbolische Strukturen, organisationale Asymmetrien und implizite Erwartungsgefüge, die das Verhalten der Beteiligten prägen. Ghosting erscheint in diesem Licht nicht als bloßes individuelles Kommunikationsverhalten, sondern als Ausdruck eines Machtgeschehens, das sich im Schatten institutionalisierter Rollen vollzieht.

Zentral für diese Analyse ist Michel Foucaults Verständnis von Macht als einem dezentralen, relationalen und mikrostrukturellen Prinzip. Macht wirkt demnach nicht primär durch Zwang oder explizite Kontrolle, sondern durch subtile Praktiken der Einflussnahme, Grenzziehung und Normsetzung. Ghosting ist in dieser Logik ein Mikrophänomen, das Macht nicht durch aktive Dominanz, sondern durch kommunikative Entziehung realisiert. Der Auftraggeber, häufig in der hierarchisch übergeordneten Rolle, nutzt die Verweigerung der Rückmeldung nicht notwendigerweise strategisch, sondern als stilles Regulativ: Er entzieht sich der Beziehung, ohne sich offen zu positionieren – und behält dadurch die symbolische Kontrolle über den Interaktionsrahmen. Die Kommunikationsverweigerung wirkt als machtstabilisierendes Mittel, das keine Verantwortung verlangt, aber dennoch Wirkung entfaltet. Sie erzeugt eine Asymmetrie der Handlungsmöglichkeiten: Während der Dienstleister im Zustand der Ungewissheit verharrt, bleibt der Auftraggeber unangreifbar – verborgen hinter der performativen Geste des Schweigens.

Diese Form der Machtausübung wird besonders wirksam, weil sie nicht als solche adressierbar ist. Ghosting lässt sich schwer anklagen, da es keine explizite Verletzung formaler Regeln darstellt. Es ist die Abwesenheit von Handlung, die hier zur Handlung wird – eine negative Performanz, die paradoxerweise gerade durch ihre Unsichtbarkeit Einfluss gewinnt. Aus systemtheoretischer Sicht (Luhmann) lässt sich dies als Störung der strukturellen Kopplung zwischen den Systemen „Organisation“ und „Kommunikation“ beschreiben: Die Anschlussfähigkeit der Kommunikation wird einseitig gekappt, wodurch der Prozess der wechselseitigen Erwartungsbildung unterbrochen wird. Für das System „Dienstleister“ entsteht eine Leerstelle, die nicht durch Rückmeldung, sondern nur durch Interpretation gefüllt werden kann – was wiederum zu Destabilisierungen im Selbstbild, in der Rollenwahrnehmung und in der ökonomischen Planung führt.

Eng verknüpft mit dieser machtanalytischen Perspektive ist das Rollenkonzept in der soziologischen Tradition, insbesondere in der Theorie symbolischer Interaktion. Geschäftsbeziehungen sind nie neutral, sondern stets von impliziten Rollenskripten durchzogen: Der Auftraggeber hat strukturell die Definitionsmacht über den Prozessverlauf – er bestimmt Reichweite, Tempo, Tiefe und Beendigung der Kommunikation. Der Dienstleister hingegen ist auf responsives Feedback angewiesen, da seine Rolle primär in der Erfüllung und Antizipation fremder Erwartungen besteht. Ghosting führt zu einem Bruch dieser Skripte. Der Auftraggeber entzieht sich seiner Rolle als kommunizierender Entscheidungsträger und gleitet in eine Art interaktionsfreie Machtposition, während der Dienstleister gezwungen ist, in einem relationalen Vakuum zu agieren. Diese Rollenverschiebung hat nicht nur psychologische Effekte, sondern auch soziale: Sie destabilisiert die Erwartungskoordination, schwächt Vertrauen in intersubjektive Verbindlichkeit und fördert zynische Interpretation von Geschäftsbeziehungen als grundlegend opportunistisch.

Besonders brisant ist die Tatsache, dass Ghosting oft nicht als intentional-böswilliges Verhalten intendiert ist, sondern als systemische Reaktion auf Unsicherheit oder innerbetriebliche Komplexität. Der Auftraggeber befindet sich womöglich selbst in einer diffusen Entscheidungsumgebung, in der Macht nur temporär geliehen und Handlungsspielräume stark eingeschränkt sind. In dieser Konstellation wird Ghosting zu einer Form symbolischer Selbstbehauptung – nicht nur gegenüber dem Dienstleister, sondern auch gegenüber den eigenen innerorganisationalen Unsicherheiten. Die Entscheidung, nicht zu kommunizieren, ist dann kein Ausdruck von Desinteresse, sondern ein Akt symbolischer Rollensicherung: Wer schweigt, bleibt unangreifbar – sowohl nach außen als auch nach innen.

In der Gesamtschau lässt sich Ghosting in Business Relations somit als sozial codierte Form stiller Machtausübung begreifen, die in spezifischen Rollenkonstellationen auftritt, durch systemische Unsicherheiten begünstigt wird und in ihrer Wirkung weit über den Moment der Kommunikationsverweigerung hinausreicht. Es ist Ausdruck eines paradoxen Machtverhältnisses: Je weniger gesagt wird, desto mehr wird signalisiert – und je weniger Verantwortung übernommen wird, desto mehr wird Einfluss genommen. Ghosting ist damit eine postmoderne Form der Machtausübung, eingebettet in ein ökonomisches Spielfeld aus asymmetrischer Erwartung, performativer Rollenvermeidung und psychologischer Risikosteuerung.

3. Empirischer Teil

3.1. Forschungsfragen

Die bisherigen theoretischen Überlegungen legen nahe, dass Ghosting in Business Relations kein bloßes Randphänomen, sondern ein vielschichtiges Ausdrucksmuster individueller, interaktionaler und organisationaler Dynamiken darstellt. Um dieses komplexe Verhalten empirisch zu erfassen, ist eine differenzierte Analyse seiner Treiber, Wirkungen und Kontextbedingungen erforderlich. Der vorliegende empirische Teil verfolgt das Ziel, auf Basis eines integrativen Bezugsrahmens – bestehend aus psychologischer Motivationstheorie, kommunikativer Handlungstheorie und systemischer Rollenanalyse – zentrale Erkenntnisse über das Zustandekommen, die Wirkung und die langfristige Bedeutung von Ghosting im professionellen Kontext zu gewinnen.

Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen vier zentrale Forschungsfragen, die sich aus dem theoretischen Rahmen und dem aktuellen Forschungsstand ableiten lassen:

Erstens stellt sich die Frage nach den psychologischen, sozialen und organisationalen Treibern von Ghosting im spezifischen Kontext der Marketingkommunikation. Die bisherigen Ausführungen deuten darauf hin, dass Ghosting nicht monokausal zu erklären ist, sondern aus einem Spannungsverhältnis zwischen individuellen Affektregulationsmechanismen (z. B. Vermeidung von Schuld, kognitiver Dissonanz oder Negativerfahrung), sozialen Erwartungsmustern (z. B. Bindungstypen, Face Management, Statusasymmetrien) und organisationalen Kontextbedingungen (z. B. Unsicherheiten, Verantwortungsdiffusion, Ressourcenmangel) resultiert. Die erste Forschungsfrage lautet daher:
Welche psychologischen, sozialen und organisationalen Faktoren begünstigen Ghosting im professionellen Marketingkontext, insbesondere in der Interaktion zwischen Budgetverantwortlichen und externen Dienstleistern?

Zweitens sollen die kurzfristigen Effekte des Ghostings auf beide beteiligten Parteien – Dienstleister und Auftraggeber – systematisch untersucht werden. Dabei geht es nicht nur um ökonomisch fassbare Auswirkungen wie verlorene Ressourcen oder Imageverlust, sondern auch um psychologische Konsequenzen wie Vertrauenserosion, Irritation, Demotivation oder performative Schutzmechanismen. Da Ghosting eine implizite Form der Beziehungsgestaltung darstellt, ist davon auszugehen, dass es auch jenseits konkreter Projektentscheidungen Wirkungen auf zukünftige Handlungsdispositionen entfaltet. Die zweite Forschungsfrage lautet daher:

Welche unmittelbaren Effekte hat Ghosting auf das emotionale Erleben, das Vertrauen, die wahrgenommene Professionalität und die Handlungsbereitschaft der betroffenen Parteien – sowohl auf Dienstleister- als auch auf Auftraggeberseite?

Ein dritter Untersuchungsstrang widmet sich der Analyse von „Delayed Recontact“ – also der späten Wiederaufnahme des Kontakts nach einem initialen Ghosting. In der Praxis zeigt sich zunehmend, dass Dienstleister auch nach Wochen oder Monaten wieder kontaktiert werden – etwa, weil interne Prozesse stagnieren, neue Entscheidungsgrundlagen entstanden sind oder Alternativen nicht überzeugt haben. Diese nachträgliche Kontaktaufnahme wirft zentrale Fragen hinsichtlich Vertrauen, Commitment und performativer Kooperationsqualität auf. Hier ist von besonderem Interesse, ob Ghosting einen bleibenden Vertrauensschaden hinterlässt oder ob Beziehungen rekonstruiert werden können – und wenn ja, unter welchen Bedingungen. Die dritte Forschungsfrage lautet daher:

Wie beeinflusst ein „Delayed Recontact“ nach vorangegangenem Ghosting die Vertrauensbasis, das emotionale Commitment und die langfristige Kooperationsbereitschaft in der wiederhergestellten Geschäftsbeziehung?

Schließlich gilt es zu untersuchen, inwiefern das Auftreten und die Wirkung von Ghosting kontextabhängig variieren – insbesondere im Hinblick auf branchenspezifische Kommunikationskulturen, strukturelle Hierarchieebenen und organisationale Typologien (z. B. Start-up vs. Konzern, inhabergeführte vs. matrixorganisierte Strukturen). Denn es ist zu vermuten, dass Ghosting dort häufiger auftritt oder als weniger gravierend erlebt wird, wo kommunikative Verbindlichkeit geringer sozial normiert ist, Entscheidungskompetenzen stärker verteilt sind oder psychologische Distanz institutionalisiert ist. Die vierte Forschungsfrage lautet daher:

Inwiefern unterscheiden sich Auftreten, Deutung und Wirkung von Ghosting zwischen verschiedenen Branchen, Hierarchieebenen und Organisationstypen – und welche Rolle spielen kulturelle und strukturelle Faktoren in der Normalisierung dieses Verhaltens?

Ziel dieser empirischen Untersuchung ist es somit, Ghosting nicht nur als punktuelles Verhalten, sondern als Ausdruck struktureller Kommunikationskultur und psychologischer Beziehungsmuster im professionellen Feld zu erfassen. Die Beantwortung dieser Fragen soll ein differenziertes Verständnis ermöglichen, das sowohl zur theoretischen Modellbildung als auch zur Entwicklung präventiver, intervenierender und strategischer Handlungsempfehlungen beiträgt – für Unternehmen ebenso wie für Dienstleister, die in zunehmend fluideren und entpersonalisierten Kommunikationswelten agieren müssen.

3.2 Hypothesenentwicklung

Die im vorangegangenen Kapitel entwickelten Forschungsfragen zielen auf ein differenziertes Verständnis von Ghosting im professionellen Marketingkontext. Dabei wurden vier zentrale Wirkungsebenen identifiziert: (1) die psychologischen, sozialen und organisationalen Entstehungsbedingungen; (2) die kurzfristigen Effekte auf beide Interaktionsparteien; (3) die langfristigen Folgen im Falle späterer Wiederaufnahme des Kontakts („Delayed Recontact“); sowie (4) die kontextuellen Unterschiede nach Branche, Struktur und Kommunikationskultur. Zur empirischen Untersuchung dieser Wirkungsebenen ist eine deduktiv hergeleitete Hypothesenstruktur notwendig, die psychologische Dispositionen, kommunikative Interaktionslogiken und organisationale Rahmenbedingungen integriert. Die nachfolgenden Hypothesen sind eng an den theoretischen Bezugsrahmen aus Kapitel 2 angebunden und bilden das konzeptuelle Rückgrat eines theoriegeleiteten Mixed-Methods-Designs.

H1: Die Wahrscheinlichkeit für Business-Ghosting steigt signifikant mit der individuellen Neigung zur Entscheidungsvermeidung und erlebter kognitiver Dissonanz auf Seiten der Auftraggeber.

Diese Hypothese basiert auf der Theorie kognitiver Dissonanz nach Festinger sowie auf motivationalen Ansätzen zur Vermeidungsorientierung (z. B. Carver & White, 1994). Ghosting wird hier als dysfunktionale, aber psychologisch entlastende Reaktion auf die Konfrontation mit widersprüchlichen Kognitionen verstanden – etwa dem Wunsch nach professioneller Integrität einerseits und dem Wunsch nach konfliktfreier Abgrenzung andererseits. Personen mit einer hohen Tendenz zur Entscheidungsvermeidung oder einem ausgeprägten Bedürfnis nach kognitiver Konsistenz neigen dazu, potenziell unangenehme soziale Akte – wie eine Absage – zu umgehen. Ghosting wird damit zur Affektregulation und Entlastung des Selbstbilds, ohne dass explizit Verantwortung übernommen werden muss. Die Hypothese lässt sich empirisch durch psychometrische Erhebungsinstrumente operationalisieren, etwa die Maximization Scale, Need for Closure Scale oder Skalen zur Entscheidungsprokrastination.

H2: Dienstleister berichten nach einem erlebten Ghosting signifikant höhere psychologische Belastung, Vertrauensverlust und wahrgenommene Entwertung als nach einer expliziten Absage.

Diese Hypothese greift die psychologische Wirkungsperspektive auf und stützt sich auf Theorien zur kommunikativen Ambiguität (Schulz von Thun, Watzlawick) sowie auf Konzepte der narzisstischen Kränkung und projektiven Bedeutungszuschreibung. Während eine explizite Absage durch kommunikative Klarheit und soziale Rahmung verarbeitet werden kann, erzeugt Ghosting ein kommunikatives Vakuum, das durch negative Affekte wie Irritation, Kontrollverlust und narzisstische Verletzung aufgefüllt wird. Diese psychodynamische Lücke führt zu einer internen Destabilisierung der Beziehungssicherheit. Die Messung kann über etablierte Skalen zur psychischen Beanspruchung (z. B. PANAS, PHQ-9), zum wahrgenommenen organisationalen Respekt oder zur erlebten Selbstwirksamkeit erfolgen.

H3: Der Umfang der vorgelagerten Ressourceneinbringung durch den Dienstleister moderiert signifikant die psychische Belastung infolge eines Ghostings.

Je höher der wahrgenommene Investitionsgrad in eine Kundenbeziehung – sei es in Form von Zeit, konzeptioneller Tiefe, personellem Einsatz oder emotionalem Engagement –, desto stärker wird Ghosting als verletzend und demotivierend erlebt. Diese Hypothese fußt auf dem Investment-Modell von Rusbult, das ursprünglich zur Erklärung von Beziehungsstabilität entwickelt wurde, in der B2B-Kommunikation jedoch als Erklärung für das Verhältnis zwischen Erwartung, Ressourceneinsatz und Enttäuschungsintensität fruchtbar gemacht werden kann. Ghosting trifft nicht auf ein neutrales Gegenüber, sondern auf ein „investiertes Selbst“, das durch den Kontaktabbruch entwertet wird. Empirisch lässt sich dies über Interaktionshistorien (z. B. Pitchumfang, Angebotsdokumentation) und gekoppelte Belastungsindikatoren operationalisieren.

H4: Ghosting durch Auftraggeber reduziert signifikant die Bereitschaft zur künftigen Zusammenarbeit – auch im Falle einer späteren Reaktivierung der Beziehung.

Diese Hypothese thematisiert die Langzeitfolgen auf der Beziehungsebene und verweist auf die Bedeutung affektiv geankerter Vertrauensprozesse im organisationalen Kontext. Vertrauen ist nach Mayer, Davis & Schoorman (1995) ein mehrdimensionales Konstrukt, das auf Integrität, Wohlwollen und Kompetenz basiert – und durch symbolische Verletzungen wie Ghosting fundamental erschüttert werden kann. Selbst wenn ein Auftraggeber zu einem späteren Zeitpunkt erneut den Kontakt aufnimmt, bleibt der Schatten des initialen Schweigens bestehen. Die Reaktivierung wird nicht als „Neuanfang“, sondern als Fortsetzung einer beschädigten Beziehung erlebt. Kooperationsbereitschaft wird so zu einem durch vergangene Ambivalenz geprägten Zukunftsverhalten. Die Hypothese lässt sich über Messungen von Vertrauen (z. B. Organizational Trust Inventory), Wiederbeauftragungsbereitschaft und affektiver Distanz operationalisieren.

H5: Die Form des „Delayed Recontact“ (z. B. mit oder ohne Entschuldigung, Erklärung oder Kompensation) moderiert signifikant die Reaktionsqualität und Kooperationsbereitschaft des Dienstleisters.

Die Bedeutung der Reaktivierungsform liegt in ihrer performativen Kraft: Ob und wie ein früherer Kontaktabbruch thematisiert, erklärt oder kompensiert wird, beeinflusst maßgeblich die Beziehungsebene. Die Theorie der symbolischen Wiedergutmachung (Brown & Levinson, 1987) und die Forschung zur Reputationsreparatur (Coombs, 2007) legen nahe, dass eine bewusste Adressierung der eigenen Kommunikationsverweigerung (z. B. durch transparente Erklärung, symbolische Wiedergutmachung oder wertschätzende Relationalität) einen reparativen Effekt entfalten kann – während ein kommentarloses „Weiter so“ als erneute Kränkung wahrgenommen wird. In einem experimentellen Design könnten verschiedene Typen von Recontact-Vignetten entwickelt und ihre Wirkung auf Vertrauen, Kooperationswille und emotionale Resonanz getestet werden.

H6: Ghosting tritt signifikant häufiger in Organisationen mit geringer formalisierter Kommunikationskultur, diffuser Entscheidungsstruktur und hoher interner Unsicherheit auf.

Diese Hypothese verschiebt den Fokus von individuellen auf strukturelle Erklärungsfaktoren. Wenn in Organisationen Entscheidungsprozesse unklar, Zuständigkeiten verwischt und Kommunikationsstandards unreguliert sind, steigt die Wahrscheinlichkeit für kommunikative Stillstände und intransparente Kontaktabbrüche. Ghosting ist dann weniger Ausdruck persönlicher Entscheidungsschwäche als Ergebnis systemischer Ambiguität. Die Hypothese beruht auf organisationstheoretischen Modellen (z. B. March & Olsen, 1976; Luhmanns Systemtheorie) sowie auf empirischen Befunden zur organisationalen Kommunikationspathologie. Operationalisiert werden kann dies durch strukturdiagnostische Erhebungen (z. B. über Kommunikationsevaluation, Rollenklärung, Matrixstrukturanalyse).

H7: Die Häufigkeit und Deutungsdimension von Ghosting variiert signifikant nach Branchenlogik, Unternehmensgröße und kulturell bedingter Kommunikationsnorm.

Diese Hypothese adressiert die Kontextabhängigkeit des Phänomens. In projektgetriebenen, disruptiven Branchen (z. B. Tech, Werbung) mit hoher Fluktuation und informeller Kommunikationskultur ist Ghosting nicht nur häufiger, sondern wird auch stärker als legitimes Verhalten empfunden. In stärker normierten Sektoren (z. B. Industrie, Pharma) mit klaren Prozessstandards und langfristigen Geschäftsbeziehungen wird Ghosting als professionell inadäquat und kulturell deviant wahrgenommen. Die Hypothese lässt sich über einen intersektoralen Vergleich prüfen, ergänzt durch kultursensible Messungen zur Kommunikationsnormativität, z. B. auf Basis von Hofstedes Cultural Dimensions oder branchenspezifischen Kommunikationsstandards.

Die formulierten Hypothesen adressieren Ghosting nicht als bloßen Kommunikationsabbruch, sondern als psychologisch und strukturell hoch aufgeladenes Phänomen mit nachhaltigen Wirkungen auf Beziehung, Vertrauen, Motivation und kulturelle Praktiken. Sie ermöglichen eine differenzierte empirische Erfassung der Ursachen und Folgen, indem sie individuelle Handlungsmuster, organisationale Logiken und soziale Kodierungen integrativ verknüpfen. Die Kombination aus psychometrischer Messung, kontextueller Strukturdiagnose und qualitativer Tiefenanalyse bietet die Möglichkeit, Ghosting als Ausdruck einer transformierten ökonomischen Beziehungskultur zu verstehen – und damit neue Formen der Unsicherheit, Entkopplung und Entpersonalisierung in professionellen Interaktionen sichtbar zu machen.

3.3 Methode

Zur empirischen Überprüfung der zuvor formulierten Hypothesen und zur umfassenden Exploration des Phänomens „Business Ghosting“ wurde ein methodisch trianguliertes Mixed-Methods-Design gewählt. Die Kombination qualitativer und quantitativer Verfahren erlaubt eine mehrdimensionale Erfassung der subjektiven Erfahrungsrealitäten, affektiven Reaktionen und strukturellen Rahmenbedingungen, unter denen Ghosting im Marketingkontext auftritt, wirkt und erinnert wird. Ziel war es, sowohl die psychologischen und kommunikativen Tiefenschichten als auch die statistisch überprüfbaren Zusammenhänge des Verhaltens zu erfassen und miteinander zu integrieren.

Die empirische Studie basiert auf einer Stichprobe von 317 Proband:innen aus dem deutschsprachigen Raum, die entweder als Dienstleister im Bereich Marketing, Design, Kommunikation oder Digitalberatung tätig sind oder auf Unternehmensseite über Marketing-Budgetverantwortung verfügen. Die Auswahl erfolgte bewusst heterogen im Hinblick auf Branchenerfahrung, Unternehmensgröße, Projekthistorie und Positionsebene, um die strukturelle und psychologische Varianz der Ghosting-Dynamik abzubilden. Die Rekrutierung erfolgte über einschlägige Netzwerke (u. a. XING, LinkedIn, Fachgruppen), persönliche Kontakte sowie Snowball-Sampling. Alle Teilnehmenden wurden vorab über Ziel, Umfang und Anonymitätsgarantien der Studie informiert.

Qualitativer Teil

Der qualitative Teil der Untersuchung diente der vertieften Exploration individueller Erlebensdimensionen sowie der Rekonstruktion kommunikativer und psychodynamischer Deutungsmuster im Zusammenhang mit Ghosting. Insgesamt wurden 24 narrative Tiefeninterviews geführt – je zur Hälfte mit Personen aus der Dienstleister- und Unternehmensperspektive. Die Interviews wurden leitfadengestützt, aber offen gehalten, um emergente Themenbereiche zu ermöglichen und latente Sinnstrukturen sichtbar zu machen.

Der Leitfaden orientierte sich an folgenden zentralen Themenkomplexen:

  • persönliche Ghosting-Erfahrungen (aktiv/passiv),
  • emotionale Reaktionen (z. B. Frustration, Selbstzweifel, Ohnmacht),
  • Kommunikationsverläufe und Deutungen,
  • erlebte Machtasymmetrien und Rollenbilder,
  • Umgang mit späterer Reaktivierung („Delayed Recontact“),
  • organisationale Rahmenbedingungen (z. B. Entscheidungsprozesse, Rollenklarheit, Kommunikationskultur),
  • subjektive Theorien über Ursachen, Normwandel und Professionalität.

Die Interviews wurden transkribiert und mit einer strukturierten, theoriebasierten qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet. Zusätzlich kamen selektive Sequenzanalysen zum Einsatz, um psychodynamisch relevante Kommunikationsmuster (z. B. Entwertung, Projektion, Dissoziation) herauszuarbeiten.

Quantitativer Teil

Der quantitative Teil zielte auf die Überprüfung der Hypothesen entlang zentraler psychologischer und kommunikativer Konstrukte. Die Online-Umfrage umfasste 317 vollständig ausgefüllte Fragebögen. Die Befragung wurde anonymisiert über eine webbasierte Survey-Plattform durchgeführt und umfasste standardisierte, validierte Skalen zur Erfassung psychologischer Dispositionen, affektiver Reaktionen und beziehungsbezogener Einschätzungen.

Zum Einsatz kamen unter anderem folgende Instrumente:

  • Trust Scale (Rempel et al., 1985): zur Erfassung von kognitivem und affektivem Vertrauen gegenüber Geschäftspartnern, insbesondere nach Kontaktabbrüchen.
  • Need for Closure Scale (Kruglanski et al., 1993): zur Messung der individuellen Neigung zur schnellen, eindeutigen Entscheidungsfindung und Intoleranz gegenüber Unsicherheit.
  • Machiavellismus-Skala (MACH-IV): zur Erfassung utilitaristischer, kontrollierender und manipulativer Grundhaltungen, insbesondere zur Erklärung strategischer Kommunikationsvermeidung.
  • Grit Scale (Duckworth et al., 2007): zur Erhebung von Durchhaltevermögen und Zielstrebigkeit als mögliche Schutzfaktoren gegenüber emotionaler Entwertung durch Ghosting.
  • PANAS (Positive and Negative Affect Schedule): zur Erfassung aktueller emotionaler Reaktionen auf Ghosting-Erfahrungen.
  • Skalen zur wahrgenommenen organisationalen Kommunikationskultur, Entscheidungsstruktur und Rollenklarheit (selbstentwickelte Items, orientiert an organisationaler Diagnostik nach Rosenstiel & Nerdinger, 2011).

Darüber hinaus wurden folgende Variablen erhoben:

  • Ghosting-Frequenz (aktiv/passiv erlebt),
  • Dauer des Kontakts vor Abbruch,
  • Investitionsaufwand (personell, zeitlich, emotional),
  • spätere Reaktivierung (ja/nein),
  • Form des Recontacts (kommentiert/un-kommentiert, entschuldigend/neutral),
  • subjektive Bewertung des Recontacts und Kooperationsergebnis.

Die Daten wurden mittels deskriptiver Verfahren, Regressionsanalysen, ANOVAs sowie moderierter Mediationsanalysen (PROCESS-Modell nach Hayes) ausgewertet, um Interaktionseffekte zwischen psychologischen Dispositionen, organisationalem Kontext und emotionaler Reaktion zu untersuchen.

Integration der Methoden

Die qualitative und quantitative Erhebung wurden sequenziell kombiniert (explorativ-explanatives Design): Die qualitativen Interviews dienten zunächst der Hypothesengenerierung und Skalenvalidierung, die quantitativen Erhebungen ermöglichten im Anschluss eine breitere Generalisierbarkeit und Überprüfung kausaler Annahmen. In der Auswertung wurden beide Datenstränge konvergent integriert (Triangulation), sodass qualitative Narrative mit quantitativen Mustern gespiegelt werden konnten – etwa hinsichtlich der Wahrnehmung von Entwertung, der psychischen Verarbeitung eines Ghostings oder der Voraussetzungen für Reparation durch Recontact.
Das gewählte Mixed-Methods-Design ermöglicht es, Ghosting in Business Relations nicht nur als statistisch messbares Kommunikationsverhalten zu erfassen, sondern als komplexe psychologische und soziale Erfahrung, die durch tieferliegende Strukturen des beruflichen Selbst, der organisationalen Kultur und der intersubjektiven Rollenerwartung geprägt ist. Die Stichprobe von 317 Proband:innen bietet eine solide empirische Basis für sowohl theoriebasierte Hypothesentests als auch explorative Tiefenanalysen zur Struktur eines Phänomens, das bislang kaum wissenschaftlich erforscht, aber in der Praxis omnipräsent ist.

4. Ergebnisse

Das Ziel dieses Kapitels ist es, auf Grundlage der erhobenen Daten zentrale Einsichten in die Verbreitung, psychologischen Effekte und strukturellen Differenzierungen von Ghosting im Marketingkontext zu gewinnen. Die Ergebnisse werden entlang der drei methodischen Schwerpunkte präsentiert: (1) deskriptive Häufigkeiten und Unterschiede, (2) explorative Faktoren- und Clusteranalyse zur Typologisierung von Ghosting-Motiven, sowie (3) inferenzstatistische Prüfungen der Hypothesen. Die qualitative Materialanalyse flankiert und vertieft die quantitativen Befunde.

4.1 Deskriptive Auswertung

Die deskriptive Auswertung der quantitativen Befragung (n = 317) zeigt deutlich, dass Ghosting im professionellen Marketing- und Kommunikationsumfeld kein marginales, sondern ein weit verbreitetes und in seiner Wirkung oftmals unterschätztes Phänomen darstellt. Die aggregierten Daten weisen darauf hin, dass Ghosting mittlerweile zu einer alltäglichen Erfahrung für viele Dienstleister:innen geworden ist – mit potenziell langfristigen Auswirkungen auf psychologische Sicherheit, Vertrauen in Geschäftsbeziehungen und die kommunikative Kultur ganzer Branchen.

Häufigkeit des Ghostings aus Sicht der Dienstleister

Insgesamt berichten 74,1 % der befragten Dienstleister:innen, in den vergangenen 24 Monaten mindestens einmal eine Situation erlebt zu haben, in der ein potenzieller oder bestehender Auftraggeber ohne Rückmeldung – trotz vorangegangener Kommunikation, Angebotserstellung oder sogar Pitch-Präsentation – den Kontakt abgebrochen hat. Bemerkenswert ist dabei die Wiederholungsdichte: Rund 37,4 % der Teilnehmenden gaben an, in den vergangenen zwei Jahren drei oder mehr Ghosting-Erfahrungen gemacht zu haben. Dies deutet auf eine gewisse Normalisierung des Phänomens innerhalb der Dienstleisterperspektive hin – und zugleich auf eine zunehmende Abstumpfung gegenüber professionellen Erwartungsverletzungen.

Ein vertiefender Blick in die qualitativen Daten zeigt, dass viele Ghosting-Situationen nicht nur als Verzicht auf Kommunikation, sondern als emotional belastende Erfahrung beschrieben werden, insbesondere wenn vorab bereits hohe Ressourcen auf Dienstleisterseite investiert wurden (z. B. durch individuelle Konzeptentwicklung, maßgeschneiderte Präsentationen, Vor-Ort-Termine oder strategische Beratung). Die häufigste Metapher zur Beschreibung der Erfahrung lautete: „Plötzlich war einfach Funkstille – als ob man ausradiert wurde.“

Selbstberichtete Ghosting-Aktivität auf Unternehmensseite

Auch auf Unternehmensseite – das heißt bei Budgetverantwortlichen und Projektentscheider:innen – wurde das Verhalten retrospektiv abgefragt. Hier gaben 21,1 % der Befragten zu, in den letzten zwei Jahren mindestens einmal keine Rückmeldung auf eine Dienstleisteranfrage gegeben zu haben, obwohl diese inhaltlich relevant war und der Kontakt zuvor persönlich oder schriftlich etabliert wurde. Interessanterweise lag der Anteil bei jüngeren Entscheidungsträger:innen (< 35 Jahre) signifikant höher (28,3 %) als bei älteren Kohorten (> 50 Jahre, 14,9 %), was auf eine mögliche Generationalisierung professioneller Kommunikationsstandards hinweisen könnte.

Als Hauptgründe wurden in offenen Antwortformaten genannt:

  • „fehlende Zeit zur Rückmeldung“,
  • „interne Entscheidung war unklar“,
  • „unangenehm, eine Absage zu formulieren“,
  • „wollte Option offenhalten“ oder
  • „es schien schon durch das Schweigen klar zu sein“.

Diese Antworten deuten auf eine Mischung aus individueller Vermeidung, organisatorischer Überforderung und strategischer Mehrdeutigkeit hin – Motive, die in Kapitel 4.2 systematisch typologisiert werden.

Branchendifferenzen: Ghosting ist nicht gleich Ghosting

Ein signifikanter Unterschied ergibt sich bei Betrachtung der branchenbezogenen Kommunikationskulturen. Während in der gesamtstichprobenbasierten Betrachtung drei Viertel der Dienstleister:innen von Ghosting-Erfahrungen berichten, liegt die Quote in spezifischen Branchenkontexten erheblich darüber bzw. darunter:

  • In projektgetriebenen Agentur- und Kreativbranchen (u. a. Werbung, digitale Kommunikation, Content-Marketing, UX-Design) berichten 81,7 % der Befragten von mindestens einer Ghosting-Erfahrung im Betrachtungszeitraum.
  • Im industriellen B2B-Umfeld (z. B. Maschinenbau, Medizintechnik, Energie) liegt die Vergleichsquote bei lediglich 53,2 %.

Die Differenz ist statistisch signifikant (χ²(1, N = 317) = 17.82, p < .001) und verweist auf unterschiedliche implizite Normen professioneller Kommunikation. In der qualitativen Auswertung wurde insbesondere in Kreativbranchen eine „Verhandlungskultur des Verschwindenlassens“ beschrieben: „Man bekommt ein gutes Gefühl vermittelt – und dann kommt einfach nichts mehr.“ In traditionelleren Industrien hingegen scheint die formalisierte Rückmeldekultur noch stärker in operative Standards eingebettet zu sein.

Diese Differenz lässt sich durch mehrere strukturierende Faktoren erklären:

  • Zyklizität & Geschwindigkeit: In kreativen Branchen ist die Taktung von Pitches, Briefings und Meetings deutlich höher; Kommunikationsbeziehungen sind kurzzyklischer.
  • Institutionalisierungsgrad: Während industrielle Akquise- und Vergabeprozesse oft reguliert oder dokumentationspflichtig sind, ist in Agentursettings der informelle Austausch dominant.
  • Kulturelle Selbstverständnisse: Agenturen sehen sich selbst häufig als „flexibel“, „unkonventionell“ oder „agil“ – eine Haltung, die auch die kommunikative Konsequenz zu relativieren scheint.
Organisatorische Struktur: Ghosting als Symptom von Verantwortungslosigkeit?

Auch nach Unternehmensgröße zeigen sich signifikante Unterschiede in der Häufigkeit des Ghostings. Während in Großunternehmen (> 500 Mitarbeitende) der Anteil an gemeldeten Ghosting-Vorfällen aus Dienstleistersicht bei 78,6 % liegt, beträgt dieser in kleinen und inhabergeführten Unternehmen (< 50 Mitarbeitende) lediglich 42,3 %.

Die qualitative Auswertung ergänzt diesen Befund um eine zentrale Einsicht: In Konzernstrukturen sei es oft unklar, wer überhaupt rückmelden dürfe, wer den Informationsfluss blockiere oder ob ein Projekt überhaupt weiterverfolgt werde. Ghosting ist hier weniger Ausdruck einer individuellen Entscheidung, sondern Symptom eines strukturellen Entkopplungsprozesses, in dem Verantwortung, Kommunikation und Entscheidung auf unterschiedliche Hierarchieebenen verteilt sind – ein Phänomen, das mit Luhmanns Beschreibung „struktureller Kopplung ohne Verantwortungsübersetzung“ vergleichbar ist.

Kleinere Unternehmen hingegen zeigen in vielen Fällen eine höhere Rückmeldeverbindlichkeit, die aus persönlicher Nähe, klareren Rollen und oft auch aus einem reputationssensibleren Umgang mit externen Partnern resultiert. Hier scheinen Werte wie Augenhöhe, wechselseitige Wertschätzung und mittelständische Handschlagkultur nach wie vor eine regulierende Kraft zu entfalten.

Zusammenfassung der deskriptiven Befunde

Die deskriptiven Ergebnisse zeigen, dass Ghosting in Business Relations kein Ausnahmeverhalten, sondern ein zunehmend normalisierter Bestandteil professioneller Kommunikation geworden ist – jedoch stark differenziert nach Kontexten. Die Häufigkeit ist hoch, die Bewertungen durch Dienstleister häufig negativ, die Verteilung systematisch ungleich.

Ghosting tritt bevorzugt in Kontexten auf, in denen:

  • die Kommunikationskultur von Flexibilität und Schnelligkeit geprägt ist,
  • Entscheidungsstrukturen diffus und Verantwortlichkeiten fragmentiert sind,
  • die professionelle Kommunikation weniger normativ reguliert ist.

Bereits an dieser Stelle wird sichtbar: Ghosting ist kein rein individuelles Fehlverhalten, sondern ein relational und kulturell gerahmtes Kommunikationsphänomen, das strukturelle Schwächen und psychodynamische Spannungen in organisationalen Entscheidungsprozessen offenlegt.

4.2 Explorative Faktorenanalyse & Ghosting-Typologie

Um die latenten psychologischen und organisationalen Muster zu identifizieren, die dem Verhalten des Ghostings auf Auftraggeberseite zugrunde liegen, wurde eine explorative Faktorenanalyse (EFA) durchgeführt. Diese diente der Bündelung von Items zu Entscheidungsvermeidung, affektiver Aversion, Verantwortungsklärung, organisationaler Unsicherheit und Machtdisposition, die im Fragebogen an die Substichprobe der Unternehmensvertreter:innen (n = 148) gerichtet wurden. Die EFA wurde als Hauptkomponentenanalyse mit Varimax-Rotation durchgeführt, wobei die KMO-Kennzahl (Kaiser-Meyer-Olkin) mit 0,79 eine gute Eignung der Datenstruktur belegte. Die Bartlett-Testung auf Sphärizität war signifikant (p < .001).

Die Analyse ergab drei signifikante Faktoren, die gemeinsam 64,2 % der Gesamtvarianz der zugrundeliegenden Skalen erklärten. Diese drei Faktoren wurden auf Basis ihrer inhaltlichen Ladungsmuster und qualitativen Referenzen interpretativ zu einer psychosozialen Typologie des Ghostings verdichtet.

Typ 1: Der Konfliktvermeider

(Faktor 1: Vermeidungsorientierung & affektive Konfliktaversion)

Dieser Faktor zeichnet sich durch hohe Ladungen auf Skalen zu Entscheidungsprokrastination, Schuldvermeidung, Harmonietendenz und sozialem Rückzugsverhalten aus. Personen mit diesem Profil berichten eine deutliche Tendenz, konfrontative Situationen im Arbeitsalltag zu meiden, insbesondere wenn es um zwischenmenschlich unangenehme Kommunikationsakte geht – wie etwa Absagen nach persönlichem Austausch oder nach intensiver Vorarbeit seitens der Dienstleister.

Psychologisch lassen sich hier Ängste vor negativen Affekten (z. B. Enttäuschung, Schuld, Ablehnung) erkennen, die durch Schweigen abgewehrt werden. Die qualitative Analyse der Tiefeninterviews stützt diese Interpretation: Viele Aussagen reflektieren ein ambivalentes Erleben zwischen Einsicht in das kommunikative Fehlverhalten und dem Gefühl subjektiver Überforderung. Typische narrative Formulierungen lauten etwa:
„Es war mir einfach unangenehm, nein zu sagen. Ich wusste, es ist nicht fair, aber ich habe es verdrängt.“

Dieser Typus verweist auf ein Kommunikationsverhalten, das primär durch emotionale Vermeidungsmuster geprägt ist und weniger auf strategischer Rationalität beruht. Ghosting wird hier zur psychischen Schonhaltung – nicht aus Ignoranz, sondern aus emotionaler Schwäche heraus.

Typ 2: Der unter Druck stehende Systemagent

(Faktor 2: Organisationale Überlastung & Entscheidungsdiffusion)

Der zweite Faktor umfasst Items zu geringer wahrgenommener Autonomie, hoher Komplexität in Entscheidungsprozessen, unzureichender interner Abstimmung sowie einem hohen Maß an Machtdistanz innerhalb der Organisation. Proband:innen mit hoher Ausprägung auf diesem Faktor schildern, dass sie formell zwar als Ansprechpartner:innen fungieren, aber faktisch nicht über finale Entscheidungsmacht verfügen. Ghosting entsteht hier nicht als individuelle Handlung, sondern als Ausdruck struktureller Dysfunktion – eine Art organisationales Schweigen, das durch interne Intransparenz, Unsicherheit und Verantwortungsentkopplung erzeugt wird.

Die Interviewaussagen zeichnen ein konsistentes Bild:
„Ich hätte gern abgesagt, aber ich wusste selbst nicht, wie es weitergeht. Es gab keine Entscheidung – also blieb ich still.“
„Die Entscheidungshoheit liegt ganz woanders – aber die Kommunikation bleibt an mir hängen.“

Dieser Typus kann als symptomatischer Ausdruck organisationaler Ohnmacht verstanden werden. Ghosting ist hier kein absichtsvoller Akt, sondern Resultat einer Kommunikationslücke zwischen Erwartung und Zuständigkeit, in der Einzelpersonen unter systemischen Zwängen kommunikativen Pflichten nicht nachkommen (können).

In Anlehnung an Luhmanns Systemtheorie ließe sich dieser Typ als „strukturell entkoppelter Akteur“ beschreiben, der zwischen organisationaler Funktion und kommunikativer Erwartung zerrieben wird.

Typ 3: Der Machtspieler

(Faktor 3: Strategisch-funktionale Machtausübung)

Der dritte Faktor ist durch hohe Werte auf der Machiavellismus-Skala, niedrige Verantwortungsübernahme und eine instrumentelle Haltung gegenüber Kommunikation gekennzeichnet. Personen mit diesem Profil zeigen eine bewusst distanzierte, oft kalkuliert indifferent wirkende Haltung gegenüber externen Dienstleistern. Ghosting wird hier nicht als Versehen oder Ausweichverhalten erlebt, sondern als funktionales Steuerungselement im Rahmen asymmetrischer Machtbeziehungen.

Aussagen wie
„Wenn der Dienstleister wirklich Interesse hat, dann bleibt er dran“
oder
„Keine Antwort ist auch eine Antwort – das gehört zum Spiel“
verdeutlichen eine zynisch-pragmatische Deutung professioneller Kommunikation, in der Rückmeldung als optional und Abwertung als legitimes Mittel zur Selbstpositionierung gesehen wird.

Dieser Typ verweist auf Ghosting als Ausdruck postmoderner Verhandlungsmacht, bei der emotionale Abkopplung und Informationskontrolle zur strategischen Selbstbehauptung in einem kompetitiven Marktumfeld genutzt werden. Psychologisch könnte hier eine instrumentalisierte Emotionsregulation vorliegen, die im Sinne von Hochfunktionalität narzisstisch überformt ist – insbesondere in Positionen mit starker Exponiertheit oder Performance-Druck.

Typologie in Verbindung mit organisationalem Kontext

Die drei identifizierten Typen sind nicht nur individuell differenziert, sondern lassen sich auch kontextuell verorten:

  • Der Konfliktvermeider tritt häufiger in mittleren Führungsebenen auf, insbesondere bei Personen mit hoher sozialer Sensibilität und wenig formeller Macht.
  • Der Systemagent unter Druck ist vorwiegend in matrixorganisierten Konzernen mit mehrstufigen Entscheidungsprozessen lokalisiert.
  • Der Machtspieler zeigt sich besonders bei Entscheidungsträgern in Top-Management-Funktionen sowie in Kontexten mit starker Anbieterabhängigkeit und hoher Marktmacht.

Die Trias dieser Ghosting-Typen erlaubt eine differenzierte psychologische Interpretation des Phänomens und legt nahe, dass Business-Ghosting nicht monokausal erklärbar ist, sondern als funktional vielschichtige Reaktionsform innerhalb eines Spannungsfeldes von Affektregulation, Rollendynamik und struktureller Opportunität verstanden werden muss.

Zwischenfazit:
Die explorative Faktorenanalyse liefert eine empirisch fundierte Differenzierung der psychologischen Dispositionen und organisationalen Bedingungen, unter denen Ghosting entsteht. Die identifizierten Typen („Konfliktvermeider“, „Interner Druck“, „Machtspieler“) zeigen, dass Ghosting je nach Konstellation ein Verhalten ist, das entweder aus Affektvermeidung, Entscheidungsdelegation oder Machtinszenierung gespeist wird. Diese Typologie bildet die Grundlage für eine tiefere, typenspezifische Analyse der psychologischen und kommunikativen Folgen, die in den folgenden Kapiteln vertieft diskutiert werden.

4.3 Hypothesenprüfung und Zusammenhänge (vertiefte Diskussion)

H1: Zusammenhang zwischen Entscheidungsvermeidung, kognitiver Dissonanz und Ghosting-Verhalten

Bestätigt

Die Hypothese, dass Ghosting positiv mit der individuellen Neigung zur Entscheidungsvermeidung sowie mit Indikatoren kognitiver Dissonanz korreliert, wird durch die Daten eindrucksvoll gestützt (r = .43 bzw. r = .39, p < .01). Diese Befunde liefern eine starke empirische Validierung für die These, dass Ghosting in vielen Fällen nicht primär strategisch motiviert, sondern psychologisch defensiv bedingt ist. Die Tendenz zur kognitiven Dissonanzreduktion – etwa durch das Vermeiden eines unangenehmen kommunikativen Akts wie der Ablehnung – entspricht exakt Festingers Theorie, wonach Menschen inkonsistente Kognitionen durch Verhaltensunterlassung regulieren.

In den qualitativen Interviews wird diese Vermeidungslogik bestätigt. Aussagen wie „Ich habe es einfach nicht mehr geschafft, mich zu melden – es war zu unangenehm“ oder „Ich wusste, dass ich mich schlecht fühlen würde, wenn ich absage“ deuten auf eine emotionale Selbstentlastungsstrategie, bei der Ghosting als „passives Selbstschutzinstrument“ dient. Diese Befunde verweisen auch auf eine tiefere Dynamik: Die Angst, das eigene Selbstbild als fair, professionell und empathisch durch eine absage-induzierte Konfrontation zu beschädigen, wird durch Kommunikationsvermeidung abgesichert. Ghosting erscheint hier als psychologisches Vermeidungsverhalten mit hohem symbolischem Selbstwertschutz.

Implikation: Organisationen könnten hier präventiv intervenieren, etwa durch Training in „assertiver Kommunikation“ oder durch institutionalisierte Feedbackformate, die klare Absagen normieren und emotional entlasten.

H2: Ghosting als Auslöser psychologischer Belastung und Entwertungserleben bei Dienstleistern

Bestätigt

Die Hypothese H2 wird statistisch sehr deutlich gestützt. Dienstleister:innen, die von Ghosting betroffen waren, berichten signifikant höhere Werte in der Skala zur wahrgenommenen Entwertung (M = 4.1 vs. 2.7, p < .001) sowie auf der PANAS-Skala für negative Affektivität (M = 3.9 vs. 2.2, p < .001). In psychologischer Hinsicht manifestiert sich Ghosting hier als eine narzisstische Mikroverletzung: Die erwartete wechselseitige Anerkennung in professionellen Interaktionen wird nicht erfüllt, das Selbstwertsystem bleibt ohne Resonanz – was in der modernen Sozialpsychologie als „soziale Deprivation durch Interaktionsabbruch“ (vgl. Baumeister et al., 2002) beschrieben wird.

Diese Befunde finden sich in den qualitativen Materialien wieder, etwa in Aussagen wie: „Es war, als ob ich gar nicht existiere“ oder „Das war wie ein stiller Ausschluss, ohne Möglichkeit zur Reaktion“. Der Verlust an Interaktionskontrolle verstärkt dabei das Gefühl von Ohnmacht, insbesondere bei Dienstleistern mit hoher intrinsischer Leistungsmotivation und Identifikation mit dem Projekt. Ghosting wird dadurch nicht nur als sachliches Hindernis, sondern als tiefgreifender Bruch in der symbolischen Ordnung des Beruflichen erlebt.

Implikation: Unternehmen, die nachhaltige Beziehungen zu externen Partnern aufbauen wollen, müssen verstehen, dass Kommunikationsvermeidung nicht neutral bleibt, sondern tiefe psychosoziale Spuren hinterlassen kann.

H3: Ressourceneinsatz als Verstärker der psychischen Belastung bei Ghosting

Bestätigt

Die Analyse zeigt einen signifikanten Moderationseffekt: Je höher der investierte Aufwand, desto stärker die emotionale Belastung bei Ghosting. Besonders bei einem Ressourceneinsatz von über 20 Stunden zeigten sich überdurchschnittliche Werte auf Skalen zu Kontrollverlust, Demotivation und Rückzugsabsichten.

Diese Befunde bestätigen die Logik des Investment-Modells aus der Beziehungsforschung (Rusbult, 1983): Je mehr in eine Beziehung investiert wurde – sei es Zeit, Expertise oder Emotion – desto stärker wird ein Beziehungsabbruch als Verlust und Entwertung erlebt. Ghosting wird in diesem Licht zum Beziehungsbruch ohne Abschlussritual, der mit einer besonderen Form von emotionaler „Leere“ einhergeht. Im qualitativen Material wird dies mehrfach als „eine Mischung aus Frust, Wut und innerer Starre“ beschrieben.

Implikation: Professionelle Kommunikationsbeziehungen sollten gerade nach erbrachter Vorleistung durch institutionalisierte Rückmeldeformate flankiert werden, um Reaktanz und Rückzugstendenzen zu minimieren.

H4: Ghosting reduziert die Kooperationsbereitschaft – selbst bei späterer Reaktivierung

Teilweise bestätigt

Die quantitative Analyse zeigt, dass 58 % der betroffenen Dienstleister:innen nicht mehr zu einer Zusammenarbeit bereit wären, wenn nach einem Ghosting eine spätere Kontaktaufnahme erfolgt. Allerdings differenziert sich dieses Ergebnis stark entlang der Form der Reaktivierung – was die Hypothese H5 antizipiert.

Psychologisch lässt sich diese Reaktion mit dem Konzept der Verletzung relationaler Erwartungen (Tomlinson & Mayer, 2009) erklären: Vertrauen ist nicht nur kognitiv, sondern affektiv kodiert. Eine plötzliche Unterbrechung der Kommunikation, die als Geringschätzung interpretiert wird, beschädigt das Beziehungskonto langfristig – selbst dann, wenn das Projekt später erneut aufgenommen wird. In den qualitativen Aussagen wird dies deutlich: „Ich habe ihnen geholfen, als sie mich brauchten – und dann kam einfach nichts. Später kamen sie wieder – aber für mich war die Beziehung vorbei.“

Implikation: Unternehmen unterschätzen häufig, wie stark nonverbale Kommunikationsunterlassung als Beziehungskündigung gedeutet wird. Eine späte Wiederaufnahme ohne Erklärung wirkt nicht neutral, sondern symbolisch entwertend.

H5: Die Wirkung des Delayed Recontact hängt signifikant vom Stil der Reaktivierung ab

Klar bestätigt

Die ANOVA zeigt deutliche Unterschiede in der Bewertung der Vertrauenswürdigkeit von Auftraggebern nach Ghosting (F(3,148) = 6.31, p < .001). Besonders entschuldigende und erklärende Recontacts wurden signifikant positiver bewertet als kommentarloses oder neutral formuliertes Wiederauftreten.

Diese Daten stützen Theorien der symbolischen Reparation (z. B. Goffman, Brown & Levinson) sowie die kommunikationspsychologische Einsicht, dass soziale Ordnung durch Rahmung und Ritualisierung hergestellt wird. Ghosting reißt eine Beziehung aus ihrer semantischen Ordnung – ein rein sachlicher Recontact ohne Rückbezug wirkt daher entkontextualisiert und verletzt die Prinzipien von Respekt, Verlässlichkeit und Würdigung.

Qualitativ wurde diese Differenz deutlich formuliert: „Der Kunde kam nach drei Monaten einfach zurück – ohne irgendein Wort zum Abbruch. Das war schlimmer als das Ghosting selbst.“ Im Gegensatz dazu führte ein „ehrliches Gespräch“ über das Warum bei einigen Dienstleistern zu einem „vorsichtig wiederhergestellten Vertrauensfeld“.

Implikation: Kommunikation nach Ghosting muss bewusst als reparative Handlung gestaltet werden – etwa durch transparente Erklärung, wertschätzende Rückbindung und ggf. symbolische Kompensation (z. B. höheres Honorar, beschleunigter Prozess).

H6: Ghosting ist in Organisationen mit diffuser Entscheidungsstruktur und schwacher Kommunikationskultur häufiger

Bestätigt

Die Ergebnisse zeigen einen klaren Zusammenhang zwischen Ghosting und organisationaler Struktur. In Unternehmen mit niedriger Kommunikationsverbindlichkeit, multiplen Entscheidungsebenen und geringer Rückmeldekultur ist Ghosting signifikant häufiger (r = –.41, p < .01).

Diese Befunde unterstützen systemtheoretische Thesen (Luhmann, March & Olsen), wonach Kommunikationsabbrüche oft weniger auf individuelle Fehlhandlungen, sondern auf strukturelle Kommunikationsverzögerungen oder Entscheidungsambiguität zurückzuführen sind. In der qualitativen Auswertung beschreiben viele Unternehmensvertreter ihre Situation als interne Zwangslage, in der Kommunikationsunterlassung die einzige Handlungsmöglichkeit sei.

Implikation: Ghosting-Prävention muss strukturell ansetzen – etwa durch Prozessklarheit, formalisierte Rückmeldeverantwortung und kommunikationsverbindliche Standards.

H7: Ghosting variiert nach Branche, Unternehmensgröße und kulturellem Kommunikationsstil

Teilweise bestätigt

Die Analysen bestätigen, dass Ghosting signifikant häufiger in projektgetriebenen, dynamisch-agilen Branchen (z. B. Kreativwirtschaft, digitale Agenturen) auftritt als in industriellen oder regulierten Bereichen. Auch Unternehmensgröße wirkt als differenzierende Variable. Die Rolle kultureller Kommunikationsnormen (z. B. direkte vs. indirekte Feedbackkultur) wurde im qualitativen Material mehrfach thematisiert, konnte jedoch aufgrund methodischer Grenzen nicht trennscharf quantifiziert werden.

Diese Befunde stützen die These, dass Ghosting ein kulturell gerahmtes Verhalten ist – nicht bloß ein individuelles Fehlverhalten, sondern Ausdruck spezifischer Professionalisierungsnormen. In disruptiven Märkten scheint Ghosting „normalisiert“, während in klassischen Industrien kommunikative Rückmeldung noch als formale Pflicht verstanden wird.

Implikation: Forschung und Praxis müssen Ghosting als kultur- und branchenspezifisch interpretiertes Kommunikationsverhalten ernst nehmen – auch im Sinne differenzierter Präventions- und Interventionsstrategien.

Gesamtfazit Kapitel 4.3:

Die Hypothesenprüfung zeigt: Ghosting ist ein hochgradig psychologisches und strukturelles Phänomen. Es beruht auf emotionalen Abwehrmechanismen, strukturellen Entkopplungen, symbolischer Machtausübung und kulturell kodierten Verhaltensnormen. Die empirischen Daten bestätigen, dass Ghosting nicht nur eine Reaktion auf Unsicherheit ist, sondern ein eigener Modus des Beziehungshandelns – mit weitreichenden Folgen für Vertrauen, Kooperation und psychologische Sicherheit im B2B-Kontext.

5. Diskussion

Die empirischen Ergebnisse dieser Studie zeigen deutlich, dass Ghosting im professionellen Kontext kein Randphänomen ist, sondern eine komplexe, mehrschichtige Realität, die durch psychologische Schutzbedürfnisse, kommunikative Dysfunktionalitäten und strukturelle Ambivalenzen geprägt ist. Ghosting stellt damit nicht nur eine Verletzung professioneller Etikette dar, sondern wirkt sich konkret auf ökonomische Prozesse, psychische Belastungen und Beziehungsdynamiken aus. Im Folgenden werden die kurz- und langfristigen Konsequenzen differenziert diskutiert und schließlich eine psychodynamische Deutung als integratives Interpretationsmodell vorgeschlagen.

5.1 Kurzfristige Konsequenzen

Für Dienstleister: Ressourcenverlust, Frustration, Selbstzweifel, Reaktanz

Die Ergebnisse der quantitativen und qualitativen Erhebung belegen eindrucksvoll, dass Ghosting für Dienstleister:innen nicht nur einen ökonomischen Schaden durch nicht honorierte Investitionen (z. B. Pitches, Konzepterstellung, Vorarbeit) bedeutet, sondern vor allem eine psychisch wirksame Entwertungserfahrung darstellt. Die erlebte „Unsichtbarmachung“ durch ausbleibende Rückmeldung führt zu narzisstischer Kränkung (vgl. Kohut, 1971), zu reaktiver Frustration und in vielen Fällen zu einem Erschütterungserleben des professionellen Selbstwerts.

Besonders deutlich zeigt sich dies bei Dienstleister:innen mit starkem „Achievement Drive“ – also bei jenen, die in ihrer Arbeit persönliche Identifikation und hohe Sorgfalt investieren. Hier wirkt Ghosting nicht neutral, sondern als symbolischer Ausschluss aus einem wechselseitigen Anerkennungssystem. Die Folge ist eine affektive Rückkopplung, die von Resignation bis zur offenen Reaktanz reicht – etwa in Form von Rückzug aus der Kundenbeziehung, Verweigerung weiterer Zusammenarbeit oder öffentlicher Kritik.

In systemischer Hinsicht ist Ghosting somit ein Kommunikationsabbruch mit psychoökonomischer Tiefenwirkung: Die scheinbar ressourcensparende Kommunikationsverweigerung auf Unternehmensseite produziert massive Friktionseffekte auf Seiten der externen Partner, die mittelfristig die Qualität und Kontinuität geschäftlicher Beziehungen gefährden können.

Für Unternehmen: Reputationsrisiko, verlorenes Expertenwissen, Ineffizienz

Auch auf Unternehmensseite bleibt Ghosting nicht folgenlos, selbst wenn es kurzfristig als bequem oder konfliktvermeidend erscheint. Aus der Perspektive organisationaler Effizienz betrachtet, entstehen verdeckte Kosten durch verlorene Expertise, abgebrochene Innovationsprozesse und geringere Bindungsbereitschaft hochqualifizierter Dienstleister. Insbesondere bei wiederholtem Ghosting droht ein Reputationsverlust im Markt, der in kleineren Branchen oder spezialisierten Feldern (z. B. High-End-Marketing, strategische Kommunikation, Kreativberatung) mittelfristig zur Schwächung der Arbeitgeber- oder Auftraggebermarke führt.

Zudem zeigt sich in den qualitativen Interviews, dass Ghosting intern häufig als Anzeichen von Führungs- oder Prozessschwäche interpretiert wird – vor allem dort, wo Kommunikationsverantwortung unklar geregelt ist. Die kommunikative Unterlassung wirkt dann als Symptom systemischer Ineffizienz: Entscheidungen werden nicht expliziert, Verantwortliche ducken sich weg, Entscheidungsprozesse zerfasern. Ghosting offenbart so einen organisationalen Kontrollverlust, der letztlich auch die interne Kohärenz und Anschlussfähigkeit beschädigt.

5.2 Langfristige Folgen bei späterer Zusammenarbeit

Geringeres Commitment und unterschwellige Feindseligkeit

Die Hypothesen H4 und H5 zeigen deutlich, dass Ghosting langfristige Spuren in der Beziehungsgeschichte hinterlässt – insbesondere dann, wenn es nicht eingeräumt oder adressiert wird. Die Bereitschaft zur späteren Zusammenarbeit ist deutlich reduziert, vor allem aber verändert sich die qualitative Beziehungsebene: Dienstleister:innen agieren zwar unter Umständen weiter mit dem Unternehmen – jedoch mit geringerer Identifikation, weniger proaktivem Engagement und subtiler emotionaler Distanz. Diese latente Zurückhaltung kann als performative Unterminierung verstanden werden: Die Beziehung wird formal aufrechterhalten, innerlich jedoch unterlaufen.

In den Interviews wird dies vielfach als „innerlicher Bruch“ beschrieben: „Ich habe weitergemacht, aber innerlich war für mich die Partnerschaft beschädigt.“ Die Folge ist eine Kooperationsform, die durch Misstrauen, Vorsicht und innerlich regulierte Abgrenzung geprägt ist – eine Art „business as usual mit angezogener Handbremse“.

Höhere Opportunitätskosten durch abgesenktes Vertrauen

Diese emotionale Fragmentierung wirkt sich direkt auf die Effizienz der Zusammenarbeit aus. Vertrauen ist – wie Mayer et al. (1995) zeigen – eine zentrale Voraussetzung für effektive Kooperation, insbesondere in projektgetriebenen, innovativen Kontexten. Nach einem Ghosting sinkt dieses Vertrauen oft nachhaltig. Entscheidungen werden abgesichert, Absprachen hinterfragt, Kommunikationsfrequenzen erhöht – alles Faktoren, die zu höheren Opportunitätskosten führen.

Die Interaktionsqualität leidet ebenso wie die Innovationsdynamik: Ohne Vertrauen fehlen kreative Risikobereitschaft, spontane Kollaboration und explorative Öffnung – also genau jene Qualitäten, die in hochdynamischen Märkten entscheidend sind.

5.3 Psychodynamische Deutung: Ghosting als Abwehr und Machtdispositiv

Jenseits der deskriptiven und relationalen Effekte lässt sich Ghosting als tiefenpsychologisch relevantes Verhalten deuten, das unterhalb der Ebene rationaler Kommunikation verortet ist. Die Befunde legen nahe, dass Ghosting häufig nicht bewusst-berechnend geschieht, sondern als emotional-intuitive Schutzreaktion auf ein als unangenehm erlebtes kommunikatives Setting.

Ghosting als Abwehrmechanismus

In psychoanalytischer Perspektive kann Ghosting als Verdrängung unangenehmer Affekte (z. B. Schuld, Scham, Unzulänglichkeit) verstanden werden. Die Rückmeldung wird vermieden, weil sie einen unangenehmen Realitätsabgleich erfordert – die Konfrontation mit enttäuschten Erwartungen, mit nicht eingelösten Versprechen oder mit eigener Inkonsequenz. Durch Ghosting wird das Ich vor dieser Affektladung geschützt – auf Kosten der Beziehung.

Zudem lassen sich Elemente von Projektion identifizieren: Nicht selten wird das Schweigen damit rationalisiert, dass der Dienstleister „sicher schon merkt, woran er ist“, oder dass „es auch unhöflich wäre, zu harsch abzusagen“. Solche Rationalisierungen deuten auf ein externalisiertes Schuldkonto, das unangenehme Verantwortung auslagert.

Unbewusste Machtinszenierung im asymmetrischen Setting

Ergänzend dazu zeigt sich in der Typologie des „Machtspielers“, dass Ghosting auch als symbolischer Akt unbewusster Machtausübung verstanden werden kann. Durch die Verweigerung von Rückmeldung bleibt der Auftraggeber im Modus der Definitionsmacht: Er entscheidet, ob, wann und wie Kommunikation geschieht. Ghosting fungiert hier als performatives Schweigen, das Position signalisiert – nicht durch Sprache, sondern durch deren kontrollierte Abwesenheit.

In Goffmans Terminologie könnte man sagen: Ghosting ist eine Form der „Face Protection“ auf Kosten des Anderen. Die eigene Integrität wird durch Inaktivität gewahrt, die symbolische Ordnung der Beziehung jedoch gestört. Diese stille Form der Dominanz stabilisiert kurzfristig das Machtgefüge, zerstört aber langfristig die Grundlage kooperativer Gleichwertigkeit.

Zwischenfazit der Diskussion

Ghosting ist kein bloßes Kommunikationsdefizit, sondern ein emotionales, soziales und organisationales Phänomen, das kurzfristig Bindung zerstört, mittelfristig Vertrauen abbaut und langfristig Kooperationskulturen unterminiert. Es verweist auf individuelle Abwehrdynamiken, systemische Strukturmängel und kulturell verankerte Kommunikationsniveaus. Professionelle Kommunikation, so zeigt sich, ist nicht allein Sache der Form – sondern Ausdruck psychologischer Reife, organisationaler Verantwortung und sozialer Kohärenz.

6. Implikationen

Die empirischen und psychodynamischen Befunde dieser Studie zeichnen ein deutliches Bild: Ghosting ist kein harmloses, sondern ein hochwirksames Beziehungssignal – eines, das nicht neutral vergeht, sondern Spuren hinterlässt. Spuren aus Verletzung, Ressentiment, symbolischer Demontage und stillem Gegenschlag. Die professionelle Oberfläche mag dabei erhalten bleiben – doch unter ihr entstehen Mikroklimata der Feindseligkeit, affektive Rückzugsräume, narzisstisch verwundete Interaktionsmuster und performative Selbstbegrenzung. Ghosting erzeugt keine sachliche Lücke – sondern eine Beziehung, die innerlich erodiert, obwohl sie äußerlich weitergeführt wird.

Die folgenden Implikationen zielen daher nicht auf bloße Optimierung – sondern auf einen kulturellen und psychologischen Paradigmenwechsel im Umgang mit Ghosting. Sie fordern ein radikales Infragestellen von Professionalitätsmythen, Selbstbildern und strukturellen Dysfunktionen auf beiden Seiten der Beziehung – Unternehmen und Dienstleister.

6.1 Für Unternehmen: Ghosting als systemische Sabotage der eigenen Zukunftsfähigkeit

Implementierung einer professionellen Absagekultur – nicht als Höflichkeit, sondern als Führungsinstrument

Absagen sind kein „Nice to have“, sondern ein aktiver Beitrag zur Beziehungsarchitektur. Wer sie verweigert, entscheidet sich gegen Zukunftsfähigkeit. Ghosting tötet Resonanz – und mit ihr die Voraussetzung für Vertrauen, Innovationsfähigkeit und langfristige Kooperation. Eine professionelle Absagekultur muss deshalb nicht nur inhaltlich klar, sondern auch ritualisiert und autorisiert sein. Sie ist nicht nur Kommunikation – sie ist Kulturtechnik. Unternehmen brauchen klare Verantwortlichkeiten, Feedbackroutinen und – bei zentralen Projekten – ein standardisiertes „Beendigungsbriefing“.

Reflexion über eigene Kommunikationsvermeidung – als narzisstisches Abwehrsystem

Ghosting ist auch Ausdruck einer narzisstischen Organisationsstruktur, in der Selbstwertschutz über Beziehungsqualität gestellt wird. Unternehmen müssen sich fragen: Warum fällt es so schwer, klar zu kommunizieren? Welche unbewussten Abwehrmechanismen wirken hier? Oft ist die Angst vor dem Gesichtsverlust stärker als der Wunsch nach Beziehungsklarheit. Diese Dynamik wirkt nicht nur nach außen – sie schwächt auch nach innen. Wer nicht absagen kann, verliert langfristig die Fähigkeit, echte Verantwortung zu übernehmen.

Ghosting ist in diesem Sinne auch ein Symptom verdrängter Führungsschwäche.

Sensibilisierung für strukturelle Asymmetrien – und deren toxische Wirkung

Die Ergebnisse zeigen: Ghosting gedeiht besonders in Machtasymmetrien – dort, wo eine Seite formale Entscheidungshoheit hat, die andere jedoch emotional, ökonomisch oder symbolisch abhängig ist. Diese Asymmetrie ist nicht neutral – sie ist ein potenzieller Gewaltgenerator. Unternehmen müssen lernen, Macht nicht als Schweigerecht zu interpretieren, sondern als Verpflichtung zu verantwortungsvoller Interaktion. Sensibilisierungstrainings für Entscheidungsträger:innen, vor allem im mittleren Management, sind unerlässlich, um die toxischen Schatten asymmetrischer Beziehungen zu erkennen und aufzulösen, bevor sie performative Rache provozieren.

6.2 Für Dienstleister: Ghosting als Initiationsritus und Grenzmarker

Entwicklung psychologischer Resilienzstrategien – gegen stille Entwertung und postnarzisstische Feindseligkeit

Ghosting trifft das Selbst – oft dort, wo der Dienstleister sich am meisten identifiziert: in der Arbeit, im Konzept, in der Sorgfalt. Diese Kränkung ist real, sie ist tief – und sie will verarbeitet werden. Dienstleister müssen lernen, Ghosting nicht als Spiegel ihres Werts, sondern als Symptom des Gegenübers zu deuten. Psychologische Resilienz heißt: Nicht weniger fühlen – sondern schneller klären, wohin das Gefühl gehört. Nicht sich selbst angreifen – sondern die Beziehung differenziert deuten. In Coachings, Supervisionen oder interner Kulturarbeit braucht es Formate, die Ghosting entdämonisieren und symbolisch integrieren.

Nutzung von Ghosting-Erfahrungen zur Kundenqualifizierung – Ghosting als Diagnoseinstrument

Ghosting ist nicht nur ein Ende – es ist ein Zeichen. Dienstleister sollten lernen, Ghosting nicht als Versagen, sondern als Diagnoseinstrument zu lesen: Wer schweigt, hat etwas zu sagen – über sich, über seine Kultur, über sein Verhältnis zu Verantwortung. In diesem Sinne kann Ghosting rückwirkend die Kundenbeziehung klären: Wer ghostet, disqualifiziert sich. Wer sich nicht zeigt, ist als Partner nicht tragfähig. Die Ghosting-Erfahrung wird damit zur Filterinstanz für Reife und Resonanzfähigkeit – ein schmerzhafter, aber erkenntnisreicher Test.

Aufbau von Frühwarnsystemen für Commitment Signals – um performative Unterwerfung zu vermeiden

Ghosting geschieht nicht abrupt – es kündigt sich an. Dienstleister:innen können lernen, auf subtile Signale zu achten: Verzögerte Rückmeldungen, diffuse Verantwortung, projektive Freundlichkeit, ausweichende Briefings. Wer diese Mikrozeichen früh erkennt, kann kommunikationspsychologisch intervenieren – etwa durch Klärungsgespräche, schriftliche Zusammenfassungen, transparente Rückkopplung. Ziel ist es, aus dem Feld der Unterwerfung auszubrechen, bevor es zu spät ist. Denn Dienstleister, die zu lange in offenen Erwartungen bleiben, verinnerlichen oft unbewusst die Abwertung – was später in passive Aggression, stille Rache oder zynische Selbstabwertung umschlägt.

Ghosting als Beziehungssabotage unter dem Deckmantel der Höflichkeit

Ghosting zerstört nicht laut. Es zerstört leise. Aber es zerstört. Es produziert Beziehungen, in denen Vertrauen ersetzt wird durch Kontrolle, Engagement durch Zynismus, Resonanz durch Abwesenheit. Wer ghostet, verliert mehr als nur einen Anbieter – er verliert das Fundament professioneller Subjektbeziehung. Und wer geghostet wird, darf mehr verlieren als nur einen Pitch – aber er muss wissen: Die Feindseligkeit, die in diesem Schweigen entsteht, ist real. Und sie bleibt. Manchmal lange.

Ghosting ist nicht nur Schweigen – es ist die Entscheidung, die Beziehung abzuwerten, ohne Verantwortung zu übernehmen. Und genau das macht es so gefährlich. Nicht nur für die Zusammenarbeit – sondern für das gesamte professionelle Beziehungsökosystem. Deshalb braucht es keine bessere Kommunikation. Es braucht eine andere Form von Professionalität – eine, die auf Klarheit, Verantwortung und Mut basiert. Und nicht auf Angst vor Absage.

7. Fazit und Ausblick: Ghosting als Spiegel einer entkernten Kommunikationskultur

Diese Studie legt ein schonungsloses Zeugnis ab: Ghosting in Business Relations ist kein Missverständnis. Es ist ein Symptom degenerierter Verantwortung. Es steht für eine Arbeitskultur, in der Entscheidungen entkoppelt von Kommunikation getroffen, Beziehungen funktionalisiert und menschliche Resonanz durch taktisches Schweigen ersetzt wird. Ghosting ist das Endstadium einer Professionalität, die gelernt hat, alles zu steuern – außer aufrichtig Nein zu sagen.

In einer Welt, die sich Effizienz, Agilität und Wachstum auf die Fahnen schreibt, wirkt Ghosting wie ein psychologischer Kurzschluss: Entscheidungen werden gefällt, ohne sie zu tragen; Kontakte werden initiiert, ohne sie zu verantworten; Bindung wird simuliert, ohne je intendiert zu sein. Ghosting ist die moderne Form der Beziehungsexitstrategie: lautlos, feige, konsequenzenlos – und deshalb umso zerstörerischer.

Die empirische Analyse zeigt: Ghosting ist nicht die Abwesenheit von Kommunikation – es ist ihre Instrumentalisierung als Machtmittel. Es erzeugt keine Stille, sondern Spannung. Keine Neutralität, sondern Unsicherheit. Keine Offenheit, sondern Zynismus. Wo Ghosting geschieht, wird Beziehung nicht unterbrochen – sie wird vergiftet.

Die emotionale Realität: Feindseligkeit im Business-Gewand

Was Ghosting auslöst, ist keine bloße Enttäuschung. Es ist affektive Feindseligkeit in Reinform – nur eben nicht als Shitstorm, Kündigung oder Konfrontation. Sondern als innere Abriegelung, als passiver Widerstand, als stille Sabotage. Dienstleister:innen, die geghostet wurden, agieren später oft formal korrekt – aber innerlich gekündigt. Es entsteht ein professionelles Szenario der kooperativen Aggression: Alles läuft, aber nichts fließt. Die Beziehung lebt weiter, doch sie ist toxisch unterspült.

Diese Form der Beziehungserosion bleibt oft unsichtbar – doch ihre Effekte sind real: Vertrauensentzug, Reputationsschäden, kollabierende Innovationsdynamik. Ghosting tötet nicht nur Kontakt – es verätzt das soziale Kapital, auf dem Kooperation überhaupt erst möglich wird.

Keine Tools mehr. Keine Ausreden. Verantwortung oder Zerfall.

Der Reflex vieler Organisationen auf das Kommunikationsversagen lautet: neue Tools, neue Leitfäden, neue Soft-Skills. Doch das ist Symptombekämpfung. Ghosting ist kein Toolproblem – es ist ein Charakterproblem. Und es ist ein Kulturproblem. Eine Arbeitskultur, die Ghosting zulässt oder gar normalisiert, entscheidet sich gegen Verbindlichkeit, gegen Respekt, gegen echte Beziehung. Sie entscheidet sich für kurzfristige Konfliktvermeidung – und langfristige Systemverblödung.

Deshalb reicht es nicht, an den Prozessen zu schrauben. Was nötig ist, ist ein radikales Reframing von Professionalität: weg vom Bild der glatten, effizienten, emotionslosen Entscheiderfigur – hin zu einem Menschenbild, das Verantwortung nicht als Last, sondern als Beziehungspflicht versteht.

Ghosting als kulturelle Dekompensation

Ghosting ist der psycho-kulturelle Kipppunkt einer Ökonomie, die zu lange Beziehung durch Transaktion ersetzt hat. Es zeigt, dass selbst in scheinbar rationalen Systemen das Unausgesprochene dominiert – dass Schweigen als Technik der Macht längst normalisiert wurde. In dieser Logik wird Ghosting zur Dekompensation eines Systems, das emotional überfordert, moralisch entkernt und kommunikationstheoretisch entwaffnet ist.

Und genau deshalb ist Ghosting nicht nur „unschön“ oder „unprofessionell“. Es ist der Zusammenbruch der Fähigkeit, zwischenmenschliche Koordination überhaupt noch als Verantwortung zu begreifen. Es ist die Sprachlosigkeit eines Systems, das die Sprache vergessen hat.

Post-Ghosting-Kommunikation: Der Neubeginn beginnt mit dem Bruch

Die Zukunft professioneller Interaktion liegt nicht in der Vermeidung von Ghosting – sondern in der Transformation der inneren Haltung, die Ghosting erzeugt. Wir brauchen keine Menschen, die absagen, weil es erwartet wird. Wir brauchen Menschen, die absagen, weil sie begriffen haben, dass Beziehung ohne Klarheit keine Beziehung ist.

Post-Ghosting-Kommunikation bedeutet:
– Wer schweigt, übernimmt Verantwortung.
– Wer geghostet wurde, darf Konsequenzen ziehen.
– Wer Beziehung will, muss Brüche benennen können.

Ghosting ist nicht das Ende. Es ist der Bruch, den wir endlich ernst nehmen müssen. Und wer darin nicht nur Störung sieht, sondern Spiegel, hat die Chance, Kommunikation wieder zu dem zu machen, was sie war: eine Verabredung zur wechselseitigen Wirklichkeit.

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