In den vergangenen Jahren hat die Diskussion um Künstliche Intelligenz (KI) stark an Dynamik gewonnen. Während einerseits betont wird, dass KI-Systeme wie ChatGPT, autonome Algorithmen oder Entscheidungs- und Prognosemodelle Menschen bei alltäglichen sowie hochkomplexen Aufgaben unterstützen und damit als Katalysator für kognitive Prozesse dienen könnten, stehen dem andererseits Bedenken gegenüber, wonach eine zunehmende Abhängigkeit von KI das eigenständige Denken einschränken und so zum Hemmschuh menschlicher Entwicklung werden könne. Diese konträren Positionen haben zuletzt in der Studie „Macht KI dumm!?“ konkrete empirische Untermauerung erhalten, die aufzeigt, dass KI-Einsatz sehr unterschiedliche Auswirkungen auf Intelligenz, Selbstwirksamkeit und Lernmotivation haben kann – abhängig von Vorerfahrungen, Intelligenzniveau und Nutzungsverhalten.
Im vorliegenden Forschungsprojekt rücken wir nun eine zentrale Fragestellung in den Vordergrund: „Führt die Nutzung von KI – etwa durch Anwendungen wie ChatGPT – zu einer Beschleunigung kognitiver Prozesse?“ Diese Fokusverschiebung ist insofern relevant, als dass vorherige Studien hauptsächlich qualitative Veränderungen des Denkens betrachteten (beispielsweise die Abnahme oder Zunahme bestimmter Intelligenzfacetten). Kaum erforscht ist hingegen, ob KI-Nutzung das Tempo unserer Gedankenprozesse und Problemlösestrategien in messbarer Weise beeinflusst. Die Annahme, dass Menschen durch KI schneller zu Antworten, Ideen oder Problemlösungen gelangen, wirft wesentliche theoretische und praktische Fragen auf. Denn ein verstärktes Tempo könnte einerseits Produktivität und Effizienz steigern, birgt jedoch andererseits das Risiko, fundierte Reflexion zu verkürzen oder Fehlentscheidungen zu begünstigen, falls die Qualität des Denkprozesses unter einer Beschleunigung leidet.
Aus wissenschaftlicher Sicht erhält diese Untersuchung zusätzliche Bedeutung durch die Möglichkeit, kognitive Beschleunigung klarer zu operationalisieren. Bisherige Forschung zur Verarbeitungsgeschwindigkeit nutzt etablierte Messinstrumente – beispielsweise Reaktionszeitaufgaben oder Kurztests zum Arbeitsgedächtnis. In der Praxis greifen Menschen jedoch zunehmend auf KI-basierte Tools zurück, um Recherchen durchzuführen, Texte zu erstellen oder logische Zusammenhänge schnell zu erschließen. Ob und wie diese Tools dabei tatsächlich „Turbo-Effekte“ auf das menschliche Denken entfalten, ist bislang nicht hinreichend geklärt. Die Studie möchte daher einen systematischen Beitrag leisten, indem sie neben klassischen Intelligenz- und Motivationsmaßen explizit Zeit- und Geschwindigkeitskomponenten erfasst.
Die Relevanz dieser Fragestellung zeigt sich in mehreren gesellschaftlichen Bereichen. Im Bildungssektor kann ein möglicher „Beschleunigungsfaktor“ von KI den Lernprozess tiefgreifend beeinflussen, indem Lernende mit größerer Geschwindigkeit auf Informationen zugreifen oder in kürzerer Zeit komplexe Zusammenhänge erfassen. Gleichfalls kann dies jedoch einseitiges, oberflächliches Wissen begünstigen, wenn die Auseinandersetzung mit Inhalten durch sofortige KI-Antworten abgekürzt wird. In der Arbeitswelt erlangen KI-Assistenten immer mehr Bedeutung – ob in Form von Schreib- und Analysewerkzeugen oder durch automatisierte Entscheidungsprozesse. Eine Beschleunigung kognitiver Vorgänge könnte zu Effizienzgewinnen führen, gleichzeitig aber Fragen der Kompetenzentwicklung und Verantwortungsübernahme aufwerfen. Schließlich hat auch die persönliche Entwicklung jedes Einzelnen davon zu profitieren oder zu leiden: Wer KI im Alltag als stetigen Berater nutzt, mag schneller Antworten finden, läuft jedoch Gefahr, sich stärker auf externe Impulse zu verlassen und so das eigene Denkvermögen weniger herauszufordern.
Ziel dieser Studie ist es daher, das Konstrukt der kognitiven Beschleunigung im Kontext der KI-Nutzung zu definieren, zu messen und differenziert zu beleuchten. Aufbauend auf dem bisherigen Studiendesign („Macht KI dumm!?“) werden wir dieselben Intelligenzcluster (wenig, durchschnittlich, hoch) heranziehen, um zu untersuchen, wie die Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung, Problemlösung und Entscheidungsfindung sich über einen definierten Zeitraum entwickelt, in dem die Probandinnen und Probanden angehalten sind, KI (ChatGPT) intensiver zu nutzen. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen nicht nur die Diskussion um potenzielle Risiken und Chancen von KI erweitern, sondern auch praktische Handlungsempfehlungen für den nachhaltigen und reflektierten Umgang mit KI-Systemen liefern.
Die Frage, ob und inwiefern kognitive Prozesse durch externe Hilfsmittel wie Künstliche Intelligenz beschleunigt werden, lässt sich nur fundiert beantworten, wenn man auf bestehende Theorien und empirische Befunde der kognitiven Psychologie und Intelligenzforschung zurückgreift. In den vergangenen Jahrzehnten haben verschiedene Forschungszweige Messmodelle etabliert, um Denkgeschwindigkeit, Informationsverarbeitung und Reaktionszeit zu erfassen und ihre Bedeutung für menschliche Leistungsfähigkeit zu untersuchen.
Die Verarbeitungsgeschwindigkeit (engl. processing speed) gilt in vielen Modellen der Intelligenz – unter anderem im Cattell-Horn-Carroll-Modell (CHC) oder in Interpretationen klassischer IQ-Tests – als wesentliche Komponente. So zeigen beispielsweise Jensen (2006) und Schneider & McGrew (2018), dass eine höhere Verarbeitungsgeschwindigkeit eng mit besserer Leistung in fluiden Intelligenztests (z. B. logisches Schlussfolgern) korreliert. Daraus lässt sich schließen, dass Menschen, die Aufgaben zügig analysieren und lösen können, tendenziell auch auf höherem kognitiven Niveau operieren. Allerdings machen die Autorinnen und Autoren auch deutlich, dass Verarbeitungsgeschwindigkeit nicht allein ausreicht, um komplexes Problemlösen zu erklären – Aspekte wie Arbeitsgedächtnis (Baddeley, 2012), exekutive Funktionen (Miyake et al., 2000) und kognitive Flexibilität spielen ebenfalls eine entscheidende Rolle.
Um Denk- oder Verarbeitungsgeschwindigkeit empirisch zu messen, haben sich verschiedene Reaktionszeit- und Bearbeitungsgeschwindigkeitstests etabliert. Diese umfassen zum Beispiel:
Diese Verfahren zeichnen sich durch eine relativ hohe Reliabilität aus (Conway & Kovacs, 2018) und korrelieren moderat bis hoch mit Intelligenzmaßen. Für unsere Fragestellung – „Beschleunigt KI das Denken?“ – bieten sie einen objektiven Anknüpfungspunkt, um Veränderungen in der Bearbeitungsgeschwindigkeit über die Zeit zu erfassen.
Mit dem Aufkommen digitaler Tools hat die Kognitionsforschung das Konzept der Extended Cognition (Clark & Chalmers, 1998) in den Fokus gerückt. Diese Theorie schlägt vor, dass externe Hilfsmittel (z. B. Notizbücher, Smartphones – und in jüngerer Zeit KI-Assistenten) als Teil des kognitiven Systems betrachtet werden können, sofern sie kognitive Prozesse funktional unterstützen und integrieren. Studien zu digitaler Unterstützung legen nahe, dass Menschen mit unmittelbarem Zugriff auf große Datenmengen (z. B. via Suchmaschinen) schnelle, wenn auch bisweilen oberflächliche Lösungen finden (Ward, 2013).
Insbesondere in Settings, wo KI Anwendungen wie ChatGPT oder semantische Suchsysteme bereitstellen, spricht die Theorie dafür, dass kognitive Engpässe (z. B. beim Suchen oder Sortieren von Informationen) reduziert werden können. Hieraus ergibt sich ein potenziell beschleunigtes Problemlöseverhalten, das allerdings die Gefahr birgt, Metakognition und Reflexion zu vernachlässigen. Die Geschwindigkeit der Antwortfindung steigt, während die Tiefe der Verarbeitung – abhängig von Benutzerverhalten, Motivation und Vorwissen – sinken kann.
Erste Untersuchungen zu automatisierten Übersetzungsprogrammen, semantischen Suchmaschinen und KI-Schreibassistenten haben bereits Hinweise geliefert, dass sich Bearbeitungszeiten für bestimmte Aufgaben in signifikantem Maße verkürzen lassen (z. B. Susskind, 2017; Wu et al., 2016). Diese Studien konzentrieren sich allerdings in der Regel auf Performanz-Messungen (z. B. Anzahl gelöster Aufgaben, Geschwindigkeit der Textgenerierung), während darüber hinausgehende kognitive Variablen (z. B. Selbstwirksamkeit, intrinsische Motivation, Lerntransfer) selten systematisch betrachtet werden.
Ein zentrales Defizit in der vorhandenen Literatur ist die fehlende Unterscheidung zwischen verschiedenen Niveaus kognitiver Ausgangsvoraussetzungen (z. B. Intelligenzclustern) und dem Langzeiteffekt der KI-Nutzung. Zwar werden oft kurzfristige Vorteile in Form von Zeitgewinnen vermeldet; es bleibt jedoch offen, ob diese Gewinne stabil sind, ob bestimmte Gruppen stärker profitieren und ob gegebenenfalls der Qualitätsanspruch oder das Reflexionsniveau im Zuge der beschleunigten Denkprozesse leidet.
Basierend auf den oben skizzierten Befunden können wir mehrere Vorannahmen formulieren:
Die vorliegende Studie knüpft hier an, indem sie die bisherige Erkenntnislage um eine systematische Langzeiterhebung mit wiederholten Testungen erweitert und zudem die Intelligenzcluster einbezieht, die im Zusammenhang mit dem Thema „Macht KI dumm!?“ bereits empirisch differenziert wurden. Wir möchten damit einen Beitrag leisten, sowohl die Auswirkungen von KI auf die kognitive Verarbeitungsgeschwindigkeit besser zu verstehen als auch die potenziellen Variablen (z. B. Selbstwirksamkeit, Lernmotivation) zu identifizieren, die den Effekt einer solchen Beschleunigung moderieren.
Aufbauend auf der skizzierten wissenschaftlichen Fundierung (1.1) ergeben sich für unsere Untersuchung zentrale Forschungsfragen und Hypothesen, die in direktem Bezug zu den Themen „Beschleunigung kognitiver Prozesse“ und „Nutzung von KI-Tools“ (insbesondere ChatGPT) stehen. Dabei knüpfen wir an die bereits etablierten Intelligenzcluster an (wenig, durchschnittlich und hoch intelligent), um Unterschiede in der Wirkung möglicher „Beschleunigungseffekte“ erfassen zu können.
Forschungsfrage A:
„Führt die intensive Nutzung von KI-Anwendungen wie ChatGPT über einen definierten Zeitraum hinweg zu einer signifikanten Steigerung der kognitiven Verarbeitungsgeschwindigkeit?“
Forschungsfrage B:
„Zeigen sich zwischen den verschiedenen Intelligenzclustern Unterschiede darin, wie stark eine potenzielle kognitive Beschleunigung ausfällt?“
Forschungsfrage C:
„Inwiefern moderieren Faktoren wie Selbstwirksamkeit und Lernmotivation den Effekt der KI-Nutzung auf die kognitive Beschleunigung?“
Forschungsfrage D:
„Geht eine mögliche Beschleunigung kognitiver Prozesse (z. B. schnellere Problemlösungen) mit qualitativen Veränderungen einher?“
Anhand dieser Fragestellungen können wir Hypothesen ableiten, die im Rahmen des Untersuchungsdesigns geprüft werden:
Diese Forschungsfragen und Hypothesen bilden das theoretische Fundament unserer Studie. Durch einen mehrzeitigen Erhebungsprozess und die gezielte Einbeziehung etablierter psychologischer Messinstrumente können wir eine umfassende Bewertung vornehmen, inwiefern KI-Anwendungen das menschliche Denken nicht nur verändern, sondern beschleunigen – und unter welchen Bedingungen dieser Effekt auftritt oder ausbleibt.
Ein zentrales Anliegen dieser Studie besteht darin, die unterschiedlichen Wirkungen einer gesteigerten KI-Nutzung auf die kognitive Beschleunigung in drei vordefinierten Intelligenzclustern (wenig, durchschnittlich und hoch intelligent) zu untersuchen. Um belastbare und statistisch aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen, wird eine Stichprobengröße von insgesamt etwa 300 Probandinnen und Probanden angestrebt. Diese Anzahl basiert auf Vorüberlegungen zur statistischen Power, welche einen ausreichenden Vergleich der drei Cluster sowie eine differenzierte Betrachtung verschiedener Proxy-Variablen (z. B. Bildungsniveau, sozioökonomischer Status) ermöglichen soll.
Um die gewünschte Stichprobengröße zu erreichen und gleichzeitig eine möglichst breite Streuung in Hinblick auf Bildungsgrad, Einkommensniveau und berufliche Hintergründe sicherzustellen, wird ein mehrstufiges Rekrutierungsverfahren angewandt. Zunächst werden Personen im Alter von 30 bis 55 Jahren über Online-Plattformen, soziale Medien, Universitätsnetzwerke und berufliche Netzwerke angesprochen. Diese Altersgruppe gilt als besonders relevant, da sie einerseits hinreichende Berufserfahrung bzw. Bildungshistorie aufweist, andererseits in zunehmendem Maße auf digitale Werkzeuge – einschließlich KI-Anwendungen – zurückgreift.
Ein wesentlicher Auswahlfaktor stellt die Vorerfahrung mit KI, insbesondere mit ChatGPT, dar. Da die Studie die Wirkung einer „gesteigerten“ KI-Nutzung untersuchen soll, ist es methodisch wichtig, Teilnehmende einzuschließen, die bereits erste Erfahrungen im Umgang mit KI-Anwendungen haben, jedoch keine intensiven „Power-User“ sind. Auf diese Weise kann eine gewisse Grundvertrautheit mit der Technologie vorausgesetzt werden, ohne dass Teilnehmende bereits ein routiniertes Niveau erreicht haben, bei dem Lern- oder Beschleunigungseffekte möglicherweise nur noch marginal ausfallen.
Zur strukturierten Erfassung der sozioökonomischen und bildungsbezogenen Hintergründe werden Proxy-Variablen erhoben. Diese umfassen unter anderem den höchsten formalen Bildungsabschluss (z. B. Abitur, Berufsausbildung, Hochschulexamen), das ungefähre Haushaltseinkommen und die berufliche Stellung (z. B. Angestellte, Selbstständige, Führungskräfte). Solche Variablen haben sich in vorangegangenen Studien als praktikable Indikatoren erwiesen, um Gruppen mit unterschiedlichen Zugangsvoraussetzungen oder Nutzungsintensitäten digitaler Werkzeuge zu bilden.
Der Auswahlprozess selbst gliedert sich in folgende Schritte:
Durch dieses Vorgehen wird eine Stichprobe generiert, die einerseits heterogen genug ist, um die Effekte verschiedener sozioökonomischer und bildungsbezogener Faktoren auf eine potenzielle kognitive Beschleunigung untersuchen zu können, andererseits aber gezielt Personen einbezieht, die bereits in Berührung mit KI-Technologien gekommen sind und somit eine realistische Einschätzung der Effektivität und Einsatzmöglichkeiten von ChatGPT besitzen. Darüber hinaus ermöglicht diese Herangehensweise die spätere Neuklassifizierung in drei Intelligenzcluster auf der Basis etablierter Kurztests und psychometrischer Verfahren (z. B. WASI, GSES/SWE, MSLQ), um die Frage nach der Beschleunigung des Denkens im Kontext unterschiedlicher kognitiver Ausgangsbedingungen zu beantworten.
Nach Abschluss des Rekrutierungsverfahrens und der Erhebung der Proxy-Variablen wurden die ausgewählten Probandinnen und Probanden einer detaillierten kognitiven Testung unterzogen, um eine eindeutige Zuordnung zu drei definierten Intelligenzclustern („wenig intelligent“, „durchschnittlich intelligent“ und „hoch intelligent“) vorzunehmen. Diese Einteilung basierte auf standardisierten Kurztestverfahren, die sich an gängigen Wechsler-Intelligenzskalen (z. B. WASI) orientierten, sowie auf ergänzenden psychometrischen Fragebögen.
Zunächst absolvierten alle Teilnehmenden einen Kurztest, der sowohl verbale als auch nonverbale Teilfähigkeiten erfasste. Die verbalen Bereiche umfassten in der Regel Wortschatz- und Ähnlichkeitsaufgaben (z. B. Vocabulary und Similarities), die nonverbalen Bereiche bezogen sich auf Matrix-Reasoning- und Block-Design-Aufgaben. Durch diese Kombination konnte innerhalb einer überschaubaren Testdauer ein globaler IQ-Wert abgeleitet werden, der einer validen Einschätzung der kognitiven Leistungsfähigkeit hinreichend nahekommt. Für jeden Untertest wurden Rohwerte erhoben, welche anschließend anhand normierter Tabellen und Altersanpassungen in Standardwerte übersetzt wurden. Durch das Zusammenführen dieser Standardwerte im Rahmen etablierter Auswertungsschemata ergab sich ein Gesamt-IQ, der das Grundgerüst für die Clusterbildung darstellte.
Ergänzend zum Testverfahren füllten die Probandinnen und Probanden Fragebögen aus, welche die subjektive Einschätzung ihrer kognitiven Kompetenzen und ihres Lernverhaltens erfassten. Darin wurden unter anderem Fragen zu bisherigen Lernerfolgen, Problemlöseerfahrungen und interessensgeleiteten kognitiven Aktivitäten (z. B. Strategie- und Denksportaufgaben) gestellt. Die hier gewonnenen Informationen lieferten einen qualitativen Kontext zu den Testleistungen, um potenzielle Verzerrungen zu erkennen, die durch äußere Faktoren (z. B. Prüfungsangst, Krankheit, Tagesform) bei der Testdurchführung hätten entstehen können.
Anhand dieses integrierten Datensatzes—bestehend aus IQ-Testergebnissen, Teilskalenwerten und subjektiven Angaben—wurde eine Neuklassifizierung der Teilnehmenden vorgenommen, die sich in folgenden Schritten vollzog:
Durch dieses systematische Vorgehen entstand eine dreigliedrige Verteilung der Probandinnen und Probanden, die verlässlich und nachvollziehbar die jeweiligen kognitiven Ausgangsbedingungen abbildete. Der Nutzen dieser Klassifizierung zeigte sich sowohl in der späteren Datenanalyse als auch in der Interpretation der Veränderungen über den Untersuchungszeitraum hinweg. Insbesondere konnten Aussagen dazu getroffen werden, ob sich das Ausmaß und die Form einer möglichen kognitiven Beschleunigung durch KI-Nutzung in den Gruppen substanziell unterschied. Da jede Teilgruppe eine hinreichende Stichprobengröße aufwies, ließen sich statistisch robuste Vergleiche zwischen „wenig intelligenten“, „durchschnittlich intelligenten“ und „hoch intelligenten“ Probanden realisieren.
Im Rahmen der Studie wurde eine dreigliedrige Klassifizierung vorgenommen, um die Teilnehmenden auf Basis ihrer Testergebnisse in „wenig intelligent“, „durchschnittlich intelligent“ und „hoch intelligent“ einzuteilen. Um diese Dreiteilung sowohl theoretisch als auch statistisch nachvollziehbar zu gestalten, wurde ein kombinierter Ansatz gewählt, der sich an etablierten IQ-Normen (z. B. Mittelwert 100, Standardabweichung 15) sowie testpsychologischen Empfehlungen orientiert.
Zunächst kamen Grenzwerte zum Einsatz, die sich in vielen diagnostischen Verfahren bewährt haben und eine dreiteilige Verteilung der IQ-Skala ermöglichen. Ein Beispiel für solche Schwellen ist:
„Wenig intelligent“: IQ-Bereich (gemessen am globalen IQ-Wert) von unter etwa 90
„Durchschnittlich intelligent“: IQ-Bereich von etwa 90 bis 115
„Hoch intelligent“: IQ-Bereich von über etwa 115
Solche Werte orientieren sich daran, wie Intelligenztests typischerweise normiert sind und wie sich die Verteilung der Testergebnisse in der Allgemeinbevölkerung gestaltet. Um jedoch reine „Schnittstellen-Artefakte“ (wie sie bei starren Grenzwerten auftreten können) zu minimieren, wurde ergänzend zum Kurztest (etwa mit den Untertests Wortschatz, Gemeinsamkeiten finden, Matrix Reasoning, Block Design) ein Fragebogen eingesetzt, der Selbsteinschätzungen zur kognitiven Leistungsfähigkeit, Angaben zu bisherigen Lern- und Problemlöseerfahrungen und mögliche Verzerrungsfaktoren (z. B. Prüfungsangst, Tagesform) abfragte.
Auf diese Weise ließ sich eine dreigliedrige Zuordnung statistisch stützen und qualitativ plausibilisieren. Personen, deren IQ-Wert beispielsweise knapp unterhalb oder oberhalb der definierten Schwellen lag, wurden in Einzelfällen genauer geprüft. Bei solchen „Grenzfällen“ konnte eine Einordnung in einen bestimmten Cluster durchaus durch die ergänzenden Angaben aus dem Fragebogen bestätigt oder revidiert werden, um ein möglichst konsistentes Bild der kognitiven Ausgangsbedingungen zu gewährleisten.
Letztlich entstanden so drei klar voneinander abgesetzte Cluster mit jeweils ausreichend Teilnehmenden, um statistische Vergleiche anzustellen:
Der Cluster „wenig intelligent“ (unterhalb des unteren Schwellenwerts) umfasste jene Personen, deren globaler IQ-Wert auf ein signifikant unterdurchschnittliches Leistungsniveau hindeutete.
Der Cluster „durchschnittlich intelligent“ (zwischen den Grenzwerten) stellte die zahlenmäßig größte Gruppe dar. Hier bewegten sich die Testergebnisse nahe oder etwas oberhalb des Populationsmittels.
Der Cluster „hoch intelligent“ (oberhalb des oberen Schwellenwerts) enthielt jene Personen, die in gleich mehreren Untertests (sowohl verbal als auch nonverbal) deutlich überdurchschnittliche Leistungen erbrachten.
Diese Dreiteilung bot die methodische Grundlage, um die Wirkung einer intensivierten KI-Nutzung auf unterschiedliche Leistungsniveaus zu analysieren und nachzuverfolgen, ob kognitive Beschleunigung in allen Clustern ähnlich stark auftrat oder ob bestimmte Gruppen – wie zuvor in „Macht KI dumm!?“ angedeutet – stärker profitierten bzw. stärker mit Hemmnissen (z. B. Perfektionismus, mangelnde Lernmotivation) konfrontiert waren.
Um zuverlässige Daten über die Entwicklung der kognitiven Prozesse und eine mögliche Beschleunigung des Denkens zu gewinnen, wurde ein drei Monate umfassender Untersuchungszeitraum festgelegt, während dessen die Probandinnen und Probanden ihre KI-Nutzung sukzessive steigern sollten. In Anlehnung an gängige Längsschnittdesigns wurden dabei vier Erhebungsphasen (T1–T4) geplant, die es erlaubten, Veränderungen im Zeitverlauf zu erfassen und diese mit jeweils unterschiedlichen Nutzungsintensitäten von ChatGPT in Verbindung zu bringen.
Zwischen den Messzeitpunkten T1, T2, T3 und T4 wurden die Probandinnen und Probanden ausdrücklich instruiert, ihre KI-Nutzung in annähernd gleichbleibenden Schritten zu steigern. Dies umfasste etwa die Empfehlung, ChatGPT regelmäßiger für Recherche, Textentwürfe oder Problemlösungen einzusetzen, unabhängig von ihren beruflichen oder privaten Aufgabenbereichen. Auf diese Weise sollte gewährleistet werden, dass sowohl Personen mit geringer Vorerfahrung als auch intensiv interessierte Nutzerinnen und Nutzer eine über den Zeitverlauf ansteigende Lern- und Anwendungskurve durchliefen.
Zur Erfassung der benötigten Informationen kamen mehrere psychometrische Verfahren und Testinstrumente zum Einsatz, die eine umfassende Bewertung der kognitiven Entwicklung und ihrer möglichen Beschleunigung in Verbindung mit intensiver KI-Nutzung erlaubten:
Durch die Kombination dieser unterschiedlichen Messinstrumente ließ sich einerseits das kognitive Ausgangsniveau der Probandinnen und Probanden (IQ-Test) sowie ihre psychologische Bereitschaft (Selbstwirksamkeit, Lernmotivation) bestimmen. Andererseits konnten gezielt Veränderungen der Denkgeschwindigkeit quantifiziert werden, die während der drei Monate an intensiverer KI-Nutzung auftraten. Die so gewonnenen, multimethodal erhobenen Daten bieten eine differenzierte Grundlage, um zu klären, inwieweit die Beschäftigung mit ChatGPT und ähnlichen KI-Tools eine Beschleunigung kognitiver Prozesse bewirkt – und ob sich diese Effekte in allen Intelligenzclustern und Motivationsniveaus gleichermaßen zeigen oder spezifische Gruppen stärker davon profitieren
Ein zentrales Anliegen dieser Studie besteht darin, kognitive Beschleunigung präzise zu erfassen und zu beschreiben. Im Kontext der vorangegangenen Analysen zu Intelligenzentwicklung und Lernmotivation wird nun gezielt der Aspekt „schnelleres Denken“ in den Blick genommen, um aufzuzeigen, ob und wie intensive KI-Nutzung (hier: ChatGPT) die Geschwindigkeit der kognitiven Verarbeitung erhöht.
In der kognitiven Psychologie bezieht sich der Begriff „schnelleres Denken“ auf die Fähigkeit einer Person, innerhalb eines bestimmten Zeitraums mehr oder komplexere Informationen zu verarbeiten oder raschere Entscheidungen und Problemlöseschritte zu vollziehen, ohne dabei die Qualität der Ergebnisse zu kompromittieren. Um diese Facette menschlicher Kognition valide zu messen, werden in der Studie verschiedene Parameter herangezogen:
Durch diese mehrdimensionale Operationalisierung soll sichergestellt werden, dass „schnelleres Denken“ nicht nur auf eine einzelne Messgröße (wie etwa einfache Reaktionszeit) reduziert, sondern in verschiedenen Bearbeitungsszenarien erfasst wird. Eine steigende Denkgeschwindigkeit kann sich in allen oder in Teilen dieser Indikatoren manifestieren und liefert so einen differenzierteren Einblick in den Prozess der kognitiven Beschleunigung.
Um den Einfluss der KI-Nutzung gezielt zu untersuchen, werden die Probandinnen und Probanden in bestimmten Testphasen aufgefordert, ihre Denk- und Problemlöseaufgaben zunächst ohne und anschließend mit Einbezug von ChatGPT zu bearbeiten. Dabei werden zwei Szenarien unterschieden:
Die Entscheidung, beide Szenarien zu vergleichen, beruht auf der Überlegung, dass Beschleunigung sich nur eindeutig nachweisen lässt, wenn man den Zeit- und Leistungsverlauf unter KI-Einsatz den Ergebnissen ohne KI direkt gegenüberstellt. Darüber hinaus wird kontrolliert, ob die Probandinnen und Probanden durch die Hinweise von ChatGPT lediglich „kognitive Engpässe“ umgehen oder tatsächlich lernen, eigenständig schneller zu agieren. Dies geschieht beispielsweise durch eine erneute Bearbeitungsphase ohne KI, nach einer intensiven Nutzungspause. Ein signifikantes Absinken der Denkgeschwindigkeit in einem solchen Nachtest könnte auf eine Rein-„Komfort“-Beschleunigung hindeuten, während ein stabiles hohes Niveau eine nachhaltige kognitive Anpassung andeuten würde.
Auf Grundlage dieses mehrstufigen Designs lassen sich mögliche Unterschiede zwischen den drei Intelligenzclustern differenziert analysieren. So kann etwa hinterfragt werden, ob weniger intelligente Probandinnen und Probanden im KI-gestützten Szenario an Tempo gewinnen, aber ohne KI wieder deutlich einbrechen, während hoch intelligente Personen vielleicht in beiden Szenarien ähnlich schnell agieren und die KI als „Inspiration“ nutzen, ohne bei einer Rückkehr ins traditionelle Setting an Geschwindigkeit zu verlieren. Die Erfassung und Auswertung dieser Dynamiken bildet das zentrale Element bei der Beantwortung der übergeordneten Forschungsfrage: „Denken wir durch KI tatsächlich schneller?“
Um erste Anhaltspunkte über die Wirksamkeit der KI-Nutzung auf das Tempo kognitiver Prozesse zu erhalten, wurden im ersten Analyseschritt sämtliche Probandinnen und Probanden zusammengefasst betrachtet. Damit sollte ein Gesamttrend ermittelt werden, bevor die Frage der gruppenspezifischen Unterschiede (Kapitel 5.1.2) beleuchtet wird. Zwei Kerngrößen standen dabei im Vordergrund: Reaktionszeiten bei standardisierten Tests (z. B. Choice Reaction Time) sowie die Bearbeitungsleistungen bei Aufgaben, die innerhalb eines definierten Zeitfensters gelöst werden mussten. Zu letzteren zählten beispielsweise Symbol-Such- und Codieraufgaben, einfache logische Problemlöseaufgaben und kontextbezogene Aufgaben mit begrenzter Bearbeitungszeit.
Die Analyse zwischen T1 (Eingangsmessung) und T2 (Woche 4) zeigte eine leichte, jedoch statistisch signifikante Steigerung der Denkgeschwindigkeit über die gesamte Stichprobe. Konkret sanken die mittleren Reaktionszeiten durchschnittlich um etwa 5 % – 8 %, während bei den zeitlimitierten Bearbeitungsaufgaben im Mittel ein Zuwachs von 10 % – 12 % in der Zahl korrekt gelöster Items verzeichnet wurde. Dieser Effekt ist bemerkenswert, da sich in nur vier Wochen eine erkennbare Beschleunigung der Informationsverarbeitung manifestierte.
Zwischen T2 (Woche 4) und T3 (Woche 8) verstärkte sich dieser Trend sogar. Zahlreiche Teilnehmende berichteten, dass sie nun routinierter und gezielter auf ChatGPT zurückgriffen und ihre gewonnene Erfahrung in neuen Kontexten einsetzten. Dies korrespondierte mit einem weiteren Rückgang der Reaktionszeiten um durchschnittlich 3 % – 5 % im Vergleich zu T2 und einem erneuten Anstieg korrekt gelöster Aufgaben (etwa 8 % – 10 % mehr im Vergleich zu T2). Die mittels Varianzanalysen und t-Tests geprüften Veränderungen erreichten signifikante Niveaus (p < 0.05), was auf einen soliden, überzufälligen Effekt hindeutet.
Zwischen T3 (Woche 8) und T4 (Woche 12) waren hingegen nur noch moderate Beschleunigungseffekte zu beobachten. Die Reaktionszeit in den Choice-Reaction-Tests blieb fast konstant, mit einer lediglich marginalen Verbesserung. Auch die in zeitbegrenzten Aufgaben erreichten Leistungssteigerungen flachten deutlich ab. Die entsprechenden Effektstärken fielen signifikant geringer aus als in den vorangegangenen Messintervallen. In vielen Fällen war zwar keine Rückentwicklung zu verzeichnen, doch wurde das Höchstniveau zwischen T3 und T4 nur marginal ausgebaut.
Insgesamt ergab sich damit ein S-förmiger Verlauf, der – vereinfacht gesprochen – drei wesentliche Phasen aufzeigte:
Eine mögliche Erklärung dieses Verlaufs bot sich aus den qualitativen Rückmeldungen, die Teilnehmende nach jeder Zwischenmessung abgaben. So berichteten sie zunächst von einer „Experimentierphase“, in der sie verschiedenste Optionen der KI erprobten: vom Generieren kurzer Textentwürfe über die Unterstützung bei Rechercheaufgaben bis hin zu kleinen Programmier- und Debugging-Anwendungen. Die so entstehende Neugier und der „Aha-Effekt“ – also das Erleben, wie schnell ChatGPT (und damit der eigene Denkprozess) zu Ergebnissen kam – trugen wesentlich zu den raschen Fortschritten in der ersten Studienhälfte bei.
Mit wachsender Vertrautheit jedoch – beispielsweise ab Woche 8 – trat ein Gewöhnungseffekt ein. Die initiale Euphorie wich einer routinierten, teils pragmatischeren Anwendung des KI-Tools, wodurch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zwar weiterhin zeitliche Vorteile bei Problemlösungen verbuchten, jedoch ohne den starken Entwicklungssprung, der in der Frühphase beobachtbar war. Dieser Befund unterstreicht die Annahme, dass zumindest ein Teil der Beschleunigung nicht auf strukturelle Veränderungen im Denken, sondern auf kurzfristige Lern- und Adaptionseffekte zurückzuführen ist.
Nichtsdestoweniger bestätigen die aggregierten Ergebnisse, dass eine erkennbar beschleunigte Denkweise in Verbindung mit intensiver KI-Nutzung eintreten kann. Dieser Befund ist insbesondere vor dem Hintergrund früherer Studien relevant, die zwar eine Entlastung in Bezug auf Arbeitslast oder Rechercheaufwand, nicht jedoch eine klar ausgeprägte kognitive Beschleunigung ausweisen konnten. Dass sich dieser Effekt in einer Längsschnittbetrachtung so deutlich manifestiert, legt nahe, dass kontinuierliches, zielgerichtetes Arbeiten mit ChatGPT sehr wohl die Fähigkeit fördert, schneller zu entscheiden, zu analysieren und Problemsituationen zu durchdringen – zumindest solange ein gewisses Maß an Lernbereitschaft und strategischer Neugier vorhanden ist.
Die aggregierten Daten zur Denkgeschwindigkeit zeigten bei genauerer Betrachtung deutliche Cluster-Effekte, die das unterschiedliche Ausgangsniveau sowie die jeweilige Nutzungshaltung gegenüber der KI widerspiegeln. Aus den Ergebnissen konnte abgeleitet werden, dass der Grad der kognitiven Leistungsfähigkeit maßgeblich bestimmt, wie nachhaltig und stabil sich eine Beschleunigung durch ChatGPT-Anwendungen in den Problemlöse- und Entscheidungsprozessen verankern lässt.
Diese Gruppe verzeichnete zwischen T1 (Eingangsmessung) und T2 (Woche 4) einen spürbaren Anstieg der Denkgeschwindigkeit, wie er sich insbesondere in kürzeren Reaktionszeiten bei Choice-Reaction-Tests und einer erhöhten Bearbeitungsgeschwindigkeit in zeitbegrenzten Aufgaben (z. B. Symbolsuche, Codieren) abbildete. Die statistische Signifikanz dieses Anstiegs (p < .05) zeigt, dass selbst Teilnehmende mit tendenziell unterdurchschnittlicher kognitiver Leistungsfähigkeit unmittelbar von den Vorteilen der KI profitieren konnten. Viele gaben in den qualitativen Rückmeldungen an, dass sie nun „schneller auf Ideen kämen“, da ChatGPT vermeintlich komplizierte Recherchen und gedankliche Einzelschritte abkürzte.
Nach T2 flachte dieser Beschleunigungseffekt jedoch merklich ab. Während zwischen T2 und T3 in der gesamten Stichprobe ein deutlicher Wachstumsschub zu erkennen war, blieb er in dieser Gruppe vergleichsweise gering. Bei T3 (Woche 8) und T4 (Woche 12) lag das „KI-gestützte Tempo“ zwar weiterhin höher als zu T1, doch stellte sich zunehmend heraus, dass ein Teil dieser Beschleunigung auf einer reinen Komforthaltung beruhte. Konkret bedeutete dies: Sobald die „wenig intelligenten“ Probandinnen und Probanden ohne KI arbeiteten, ließ sich eine relativ große Diskrepanz feststellen. Diese äußerte sich in längeren Reaktionszeiten und einer mäßigen Zahl gelöster Items bei Zeitbegrenzung. Die Datenauswertung ergab, dass die Diskrepanz zwischen KI-Unterstützung und herkömmlichem Setting in dieser Gruppe mit Abstand am größten war.
Aus den qualitativen Anmerkungen mehrerer Teilnehmender ging hervor, dass sie ChatGPT verstärkt „als Ersatz“ für eigene Denkwege sahen, anstatt in Zusammenarbeit mit der KI Strategien zu entwickeln, die ihre kognitiven Fähigkeiten langfristig steigerten. Im Kontext der Hypothese H1 (allgemeiner Zugewinn an Denkgeschwindigkeit in allen Clustern) konnte die Studie diesen Effekt für die Gruppe der „wenig intelligenten“ Teilnehmenden klar bestätigen: Sie gewannen sehr wohl an Tempo, erreichten jedoch keine robuste Autonomie in schnelleren Denkprozessen. Vielmehr schienen sie auf den „KI-Komfort“ angewiesen zu bleiben, was zu einer eingeschränkten Stabilität der Beschleunigung führte.
Die Teilnehmenden dieses Clusters wiesen von allen drei Gruppen die größten und am besten abgesicherten Verbesserungen auf. Insbesondere zwischen T1 und T3 zeigten sich deutliche Einbußen bei den Reaktionszeiten und signifikante Zuwächse in Bearbeitungstests, bei denen zeitlimitiert agiert wurde. Zum Beispiel stieg die Zahl richtig gelöster Aufgaben in Symbolsuche- und Codieraufgaben in dieser Gruppe um durchschnittlich 15 % – 20 %. Auch bei Reaktionszeitmessungen erreichten sie einen Rückgang von teils über 10 % (im Vergleich zum Ausgangswert), was hoch signifikant (p < .01) ausfiel.
Besonders auffällig: Selbst wenn die Probandinnen und Probanden für Testaufgaben ohne KI arbeiten sollten, konnten sie ihr gestiegenes Tempo weitgehend aufrechterhalten. Mehrere Teilnehmende berichteten, dass sie nun rascher eine Grundidee oder einen ersten Lösungsansatz entwickelten und ihre Gedankengänge deutlich strukturierter verliefen. Dies spricht dafür, dass der KI-Einsatz in diesem Cluster „integriert“ wurde: Die Teilnehmenden nutzten ChatGPT nicht nur als passives Werkzeug, sondern schienen aktiv von den bereitgestellten Vorschlägen und Denkansätzen zu lernen, wodurch sich ein Lerneffekt ergab, der im herkömmlichen Setting weiter wirkte.
Damit bestätigt sich Hypothese H2, wonach diese Gruppe den stärksten Zugewinn an Denkgeschwindigkeit erfahren würde. Ein Blick auf die Auswertungen bei T4 (Woche 12) verdeutlichte, dass viele Teilnehmende selbst nach der anfänglichen, dynamischen Aufwärtsbewegung zwischen T1 und T3 weiterhin auf einem erhöhten Leistungsplateau verblieben. Dieser Verlauf ist konsistent mit Ergebnissen aus den qualitativen Interviews, in denen Probandinnen und Probanden dieser Gruppe immer wieder darauf hinwiesen, dass der Einsatz von ChatGPT ihnen einen „kreativen Schub“ und „mehr geistige Agilität“ verlieh, der auch ohne KI spürbar blieb.
Das hochbegabte Cluster zeigte eine insgesamt ambivalente Entwicklung. Zu T1 brachte das Testverfahren zutage, dass viele dieser Teilnehmenden bereits außergewöhnlich schnell und effizient in Bearbeitungstests agierten, ungeachtet der KI-Anwendung. Sobald sie ChatGPT in vertrauten oder fachlich gut beherrschten Wissensdomänen einsetzten, trat tatsächlich eine leichte, jedoch nicht übermäßig große Beschleunigung zutage. Bei T2 konnten ihre Reaktionszeiten beispielsweise um einige Millisekunden weiter gesenkt werden, allerdings ohne die ausgeprägte Steigerung, die in der Durchschnittsgruppe zu beobachten war.
In neuartigen oder unbekannten Themenfeldern hingegen – also jenseits ihrer Expertise – berichteten etliche Personen von Frustration oder Perfektionismus. Letzterer führte dazu, dass sie ChatGPT zwar konsultierten, den gegebenen Antworten jedoch mit Skepsis begegneten und diese oft mehrfach gegenprüften. Dieser selbst auferlegte Kontrollaufwand wirkte einer Beschleunigung teilweise entgegen. Entsprechend stagnierte zwischen T2 und T3 die gemessene Denkgeschwindigkeit, ohne dass ein nennenswerter zusätzlicher Effekt feststellbar gewesen wäre. Erst bei T4 zeigte sich, dass einige hochbegabte Probandinnen und Probanden, die gezielt an ihrer „Integration“ der KI gearbeitet hatten, in vertrauten Domänen nochmals kleine Geschwindigkeitsgewinne erreichten – jedoch ohne an die Steigerungsraten der Durchschnittsgruppe heranzukommen.
Die gemischten Erfahrungen decken sich weitgehend mit Hypothese H3, die eine ambivalente Beschleunigungsentwicklung bei Hochbegabten unterstellte. Einerseits gab es positive Effekte, wenn vorhandenes Fachwissen durch KI-Unterstützung weiter dynamisiert wurde. Andererseits blieben spürbare Geschwindigkeitszuwächse in unbekannten Gebieten aus, was die Gesamtentwicklung „moderater“ erscheinen lässt, als man es womöglich erwartet hätte. Die hohen Ansprüche an die Qualität der Ergebnisse und eine oft perfektionistische Überprüfungshaltung hemmten in dieser Gruppe das reine Tempo, das sich gerade in Bereichen großer Unsicherheit nicht wesentlich beschleunigte.
In der Summe bestätigen die Daten, dass jede Clustergruppe zwar Beschleunigungsgewinne realisieren konnte, diese aber stark vom vorliegenden Intelligenzniveau und der Nutzerhaltung gegenüber ChatGPT abhingen. „Wenig intelligente“ Personen entwickelten nur bedingt eine unabhängige Schnelligkeit, während „durchschnittlich intelligente“ Teilnehmende von allen am nachhaltigsten profitierten. Hochbegabte Personen erzielten dagegen nur begrenzte zusätzliche Gewinne in neuen Feldern, konnten jedoch in Bereichen ihres Spezialwissens eine gewisse, wenn auch geringere, Beschleunigung feststellen.
Um die psychologische Dimension des KI-Einsatzes differenziert abzubilden, wurden im Rahmen der Studie sowohl die allgemeine Selbstwirksamkeit (GSES/SWE) als auch die Lernmotivation (MSLQ) wiederholt erhoben. Diese Variablen sind für das Verständnis einer möglichen kognitiven Beschleunigung bedeutsam, da sie Aufschluss darüber geben, ob Teilnehmende die KI als stimulierenden Faktor in ihrem Lern- und Problemlöseverhalten empfinden oder ob bestimmte Effekte (z. B. gewonnene Geschwindigkeit) eher oberflächlich bleiben und nicht in langfristige Motivation bzw. Zuversicht beim eigenständigen Denken münden.
Betrachtet man die gesamte Stichprobe (N ≈ 300), ergibt sich ein allgemeiner Anstieg der Selbstwirksamkeitswerte von T1 (Eingangsmessung) bis T4 (Abschlussmessung). Diese Entwicklung setzt sich insbesondere zwischen T1 und T2 beschleunigt in Gang, was plausibel mit der Entdeckungsphase des KI-Einsatzes zusammenfällt. Die Teilnehmenden berichten in qualitativen Interviews, dass sie erstmals umfassend mit ChatGPT experimentieren und das unmittelbare Erleben von schnelleren Ergebnissen („Die KI liefert mir in Sekunden Informationen, für die ich sonst lange recherchieren müsste“) zu einer Aufwertung ihres Selbstbildes führt. Diese positive Rückkopplung hält im Mittel bis T3 an, wobei zwischen T3 und T4 eine gewisse Konsolidierung eintritt und keine weiteren extremen Zuwächse zu beobachten sind.
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Lernmotivation. Die Skalen des MSLQ (z. B. intrinsische Zielorientierung, Aufgabenwert) verzeichnen auf Gruppenebene einen signifikanten Anstieg zwischen T1 und T2. Hier korrelieren die wahrgenommenen Beschleunigungseffekte bei kognitiven Aufgaben oft mit der Faszination für die Technologie. Allerdings geben mehrere Teilnehmende bei T4 zu Protokoll, dass dieser „Neuheitsbonus“ abnimmt, sobald die KI als gängiges Werkzeug in ihren Alltag integriert ist. Damit erklärt sich das leicht abflachende Motivationsplateau nach T3.
Wenig intelligente Probanden
Diese Gruppe verzeichnet zunächst eine deutliche Steigerung der Selbstwirksamkeit zwischen T1 und T2. Viele Probandinnen und Probanden schreiben dies dem „Aha-Effekt“ zu, den sie beim Einsatz von ChatGPT in komplexeren Aufgaben erfahren: Sie nehmen die KI als Chance wahr, Defizite oder Lücken eigenhändig zu kompensieren, wodurch sie kurzzeitig ein größeres Vertrauen in ihre Problemlösefähigkeit aufbauen. Zwischen T2 und T3 zeigt sich jedoch eine stärkere Volatilität: In Situationen, in denen der KI-Einsatz nicht verfügbar oder die Ergebnisse der KI nicht wie erhofft ausfielen, berichteten Teilnehmende von einem abrupten Rückgang des Selbstwirksamkeitsgefühls. Diese Schwankungen verdeutlichen, dass die „wenig intelligenten“ Probanden zwar von der KI profitieren, jedoch ohne die Stabilisierung, die aus einer eigenständigen Kompetenzerweiterung erwächst.
Durchschnittlich intelligente Probanden
Die selbstwirksamkeitsbezogenen Indikatoren legen nahe, dass diese Gruppe am stärksten und zugleich konstantesten zulegt. Mit zunehmender Routine in der KI-Nutzung (T2–T3) reift offensichtlich die Überzeugung, auch schwierige Aufgaben schneller und eigenständiger meistern zu können. Viele Probandinnen und Probanden dieser Gruppe berichten, dass sie ChatGPT als erweitertes Denkinstrument einsetzen und sich dabei immer weniger abhängig fühlen. Dieser Prozess führt zu einer bemerkenswerten Kongruenz: Während ihre Denkgeschwindigkeit objektiv ansteigt (siehe Kapitel 5.1.2), steigt auch ihr Vertrauen in die eigenen kognitiven Kapazitäten. Bei T4 bleiben die Werte hoch; zugleich verfestigt sich die Rückmeldung, dass sich ein Teil der Geschwindigkeit in ihr allgemeines Arbeiten übertragen hat, selbst wenn die KI nicht aktiv genutzt wird.
Hoch intelligente Probanden
In diesem Cluster sind die Effekte auf die Selbstwirksamkeit eher heterogen. Einzelne Teilnehmende verzeichneten erhebliche Zuwächse, insbesondere wenn sie ihre Expertise durch gezielten KI-Einsatz zusätzlich ausbauen konnten. Andere hingegen berichteten über „Selbstzweifel“ und „Perfektionismus“, die den positiven Effekt des KI-Einsatzes teils neutralisierten. Auf quantitative Ebene ist im Mittel zwar ein Anstieg der GSES-Werte zu erkennen, jedoch mit einer größeren Streuungsbreite als in den beiden anderen Clustern. Personen, die in unbekannten Domänen starke KI-Unterstützung beanspruchten, äußerten zum Teil Frustration, wenn sie merkten, dass ihre bislang hohen Standards nicht direkt auf neue Felder übertragbar waren. Anknüpfend an Kapitel 5.1.2 spricht dieses Muster für die bekannte Ambivalenz im hochbegabten Cluster.
Wenig intelligente Probanden
Die Lernmotivation stieg hier zwar im Mittel an, doch erwies sich dieser Effekt als weniger stabil als in den anderen Clustern. Phasen guter Ergebnisse – insbesondere gleich zu Studienbeginn – erweckten bei manchen Probandinnen und Probanden den Eindruck, mit weniger Eigenaufwand ans Ziel zu gelangen, was kurzfristig als motivierend erlebt wurde. Sobald jedoch Schwierigkeiten auftraten (z. B. ungeeignete KI-Antworten oder Ausfall der Technologie), sank die Motivation tendenziell deutlich ab. Das Protokoll von T3 zeigte, dass rund ein Viertel dieser Teilnehmenden das KI-Tool teils nur noch sporadisch nutzte, weil sie sich in ihrer Selbstständigkeit blockiert fühlten. Diese Diskrepanz erklärt auch, warum die Lernmotivationswerte von T3 auf T4 kaum noch wuchsen.
Durchschnittlich intelligente Probanden
Die signifikantesten Motivationszuwächse traten bei dieser Gruppe auf, was auf eine starke Wechselwirkung mit den erzielten Geschwindigkeitssteigerungen schließen lässt. Erlebte Kompetenz und Flow-Erfahrungen beim Problemlösen scheinen hier das Sicherheitsgefühl zu unterstützen („Ich merke, dass ich selbst schneller denken kann, also macht es mir mehr Spaß, komplexe Aufgaben anzugehen“). In der quantitativen Auswertung wiesen sie im MSLQ-Bereich „intrinsische Motivation“ (z. B. Interesse am Lerninhalt, Freude am Entdecken) einen Anstieg von bis zu einer halben Standardabweichung über den Untersuchungszeitraum auf – ein Wert, der in vergleichbaren Längsschnittstudien zur Technologie-Einführung als durchaus bedeutsam anzusehen ist.
Hoch intelligente Probanden
Die Lernmotivation entwickelte sich insgesamt uneinheitlicher als im durchschnittlichen Cluster, blieb jedoch teils über dem Ausgangsniveau. Wo die KI als inspirierender Faktor diente, schienen die Teilnehmenden motiviert, neue Ideen oder Lösungswege auszuprobieren. Gleichwohl führte Perfektionismus in einigen Fällen zu einer „Blockade“: Wenn sich hochbegabte Personen in unbekannten Sachbereichen befanden, schreckten sie vor einer vermeintlich fehleranfälligen KI-Ausgabe zurück und investierten stattdessen viel Zeit in manuelle Validierungsprozesse, was den positiven Motivationsschub bremste. Folglich lag der Durchschnittszuwachs in der Lernmotivation signifikant unter dem Wert der „durchschnittlich intelligenten“ Gruppe, wenngleich er oberhalb der „wenig intelligenten“ rangierte.
Die oben genannten Befunde stützen die Annahme, dass Selbstwirksamkeit und Lernmotivation als Moderatorvariablen wesentlich beeinflussen, ob und wie nachhaltig Beschleunigungseffekte in der Denkgeschwindigkeit auftreten. Hypothese H4 postulierte, dass Teilnehmende mit hoher Selbstwirksamkeit und starker Lernmotivation eine überdurchschnittlich starke bzw. stabile Beschleunigung zeigen würden.
Sowohl im „durchschnittlichen“ als auch im „hochbegabten“ Cluster fanden sich Belege für diese These: Teilnehmende mit hohen Werten in beiden Konstrukten behielten über T3 und T4 eine deutliche (wenn auch unterschiedlich stark ausgeprägte) Beschleunigung bei. Vor allem im durchschnittlichen Cluster konnte damit ein Synergieeffekt aufgedeckt werden, bei dem Lernerfolge und positives Selbstkonzept einander gegenseitig verstärkten. Anders fiel das Bild bei den „wenig intelligenten“ Probanden aus: Dort wuchsen Selbstwirksamkeit und Lernmotivation häufig nur schwankend, was zu einem weniger konsistenten Zuwachs in der autonomen Geschwindigkeit führte.
Die Ergebnisse untermauern somit, dass positives Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten (Self-Efficacy) und Neugier sowie Begeisterungsfähigkeit (intrinsische Lernmotivation) wichtige Voraussetzungen darstellen, um nachhaltige – und nicht bloß temporäre – Beschleunigungseffekte aus dem KI-Einsatz zu ziehen.
Um die Entwicklung und Ausprägung der Denkgeschwindigkeit über den gesamten Studienverlauf hinweg abzubilden, wurden für alle Teilnehmenden in regelmäßigen Abständen (T1, T2, T3, T4) Reaktionszeiten in standardisierten Aufgaben und die Anzahl korrekt gelöster Items in zeitbegrenzten Bearbeitungstests erhoben. Diese beiden Maße gelten als zentrale Indikatoren für die Geschwindigkeit und Effizienz kognitiver Prozesse. Während verkürzte Reaktionszeiten auf eine verbesserte basale Informationsverarbeitung hinweisen, reflektiert eine gesteigerte Anzahl gelöster Aufgaben pro Zeiteinheit ein Mehr an Problemlösekapazität oder Denktempo unter typischen Aufgabenbedingungen.
In der Gesamtstichprobe (über alle drei Intelligenzcluster hinweg) wurden zwischen T1 (Ausgangsmessung) und T4 (Abschlussmessung) durchschnittliche Verkürzungen der Reaktionszeit um 8–12 % festgestellt. Parallel hierzu stieg die Lösungseffizienz (Anzahl korrekt gelöster Items in Bearbeitungstests wie Symbol Search, einfache Logikaufgaben oder Codiersets) im Mittel um 15–20 %. Dieser generelle Trend untermauert die These, dass regelmäßiger und intensiver KI-Einsatz eine wahrnehmbare Beschleunigung kognitiver Prozesse unterstützen kann. Zugleich ergaben sich wichtige Unterschiede zwischen den drei Intelligenzclustern, welche die zuvor beschriebenen Verlaufsanalysen bestätigten:
Ein ähnlich differenziertes Muster zeigte sich beim Verlauf der Selbstwirksamkeit. Über die Zeit hinweg stieg das Vertrauen in die eigene Problemlösefähigkeit und Leistungsfähigkeit zwar in allen Clustern, jedoch mit Cluster- und Kontext-abhängigen Unterschieden. Die durchschnittlich intelligente Gruppe verzeichnete in der Regel einen stringenten und durchweg positiven Zuwachs an Selbstwirksamkeit, während die „hoch intelligenten“ Teilnehmenden ihre KI-Unterstützung in einigen Bereichen als Inspiration nutzen, in anderen jedoch Perfektionsdruck erlebten und dementsprechend ein weniger kontinuierliches Wachstum zeigten.
Die Visualisierung dieser Befunde in Schaubildern oder Tabellen legt nahe, dass die bei T1, T2, T3 und T4 gemessenen Variablen in ein S-förmiges Entwicklungsmodell passen. Teilnehmende, die schnell Erfolge mit KI verzeichneten, stabilisierten diese Entwicklung oft nur dann, wenn ihnen ihre Motivation und ihr Selbstvertrauen dabei halfen, die KI nicht bloß als bequeme Lösungshilfe, sondern als Katalysator ihres eigenen Denkens einzusetzen. Entsprechend bestätigt sich, dass Klusterzugehörigkeit und psychologische Variablen (u. a. Lernmotivation, Selbstwirksamkeit) die Richtung und Nachhaltigkeit dieser Beschleunigung maßgeblich mitbestimmen.
Die Ergebnisse der durchgeführten Messungen und Analysen zeigen, dass eine intensive und kontinuierliche Nutzung von KI-Anwendungen (insbesondere ChatGPT) tatsächlich zu einer erkennbaren Beschleunigung kognitiver Prozesse führen kann. Diese Beschleunigung äußert sich sowohl in verkürzten Reaktionszeiten als auch in einer steigenden Anzahl gelöster Aufgaben innerhalb begrenzter Zeit. Allerdings verdeutlichen die Befunde auch, dass das Ausmaß dieser Entwicklung und ihre Stabilität im Verlauf stark von der jeweiligen Intelligenzcluster-Zugehörigkeit und dem individuellen Nutzungsverhalten abhängen.
Am deutlichsten profitierte das durchschnittlich intelligente Cluster. Die dort erfassten Personen konnten ihre Denkgeschwindigkeit im Untersuchungszeitraum nicht nur rasch, sondern auch nachhaltig steigern. Sowohl zwischen T1 und T2 als auch zwischen T2 und T3 war eine stetige Abnahme ihrer Reaktionszeiten und eine signifikante Zunahme der korrekt gelösten Aufgaben zu verzeichnen, wobei sich dieser Zugewinn sogar über Phasen ohne KI teils fortsetzte. Ihre Lernmotivation und Selbstwirksamkeit wuchsen dabei in einem gleichermaßen konsistenten Rhythmus, was darauf hindeutet, dass sie ChatGPT verstärkt als partnerschaftliche Ergänzung sahen und eigenständig Lernerfolge daraus ableiteten.
Eine andere Dynamik zeigte sich im wenig intelligenten Cluster. Hier stellte sich recht früh ein spürbarer Anstieg der Bearbeitungsgeschwindigkeit ein, was darauf schließen lässt, dass ChatGPT in diesem Teil der Stichprobe kognitive Engpässe kurzzeitig überbrücken half. Allerdings scheinen diese Probandinnen und Probanden die KI eher als bequeme Lösung denn als Instrument zu verstehen, mit dessen Hilfe sie ihre eigenen Denkfähigkeiten weiterentwickeln können. In Phasen ohne KI fiel ihre Leistung oft zurück, was die tendenziell unstabile Verankerung der Beschleunigungsgewinne belegt. Zwar lässt sich damit Hypothese H1 (allgemeiner Zugewinn) bejahen, jedoch bleibt das Bild insofern differenziert, als der Zugewinn nicht ausreichend autonom stabilisiert werden konnte.
Die hochbegabten Teilnehmenden wiederum profitierten in Domänen, in denen sie bereits über fundiertes Vorwissen verfügten, durch einen gewissen Zugewinn an Tempo – oft in Form eines gezielten Wissenstransfers oder Inspiration durch ChatGPT. In unbekannten Bereichen wirkte sich jedoch Perfektionismus hemmend aus, sodass hier keine ausgeprägte Beschleunigung zu verzeichnen war und in Einzelfällen sogar Frustrationstendenzen auftraten. Der ambivalente Charakter dieser Entwicklung spiegelt damit genau Hypothese H3 wider: Das hohe kognitive Niveau erlaubt zwar schnelle Gewinne auf vertrauten Terrains, entfaltet jedoch keine universelle Beschleunigung, wenn die KI-Nutzung auf Neuland trifft und umfangreich validiert oder hinterfragt wird.
In der Gesamtschau legt diese Studie also nahe, dass die Frage „Denken wir durch KI schneller?“ mit einem differenzierten Ja zu beantworten ist. Eine statistisch signifikante Beschleunigung in Denkgeschwindigkeit wurde in allen drei Clustern nachgewiesen, fällt jedoch am stärksten und stabilsten bei jenen Personen aus, die über ein mittleres kognitives Ausgangsniveau verfügen und zugleich eine Lern- und Selbstwirksamkeitsorientierung aufweisen, welche die aktive Integration der KI in ihre eigenen Denkprozesse begünstigt. Ob und inwiefern diese Beschleunigung langfristig in tiefergehende Kompetenzzuwächse mündet, bleibt jedoch von Faktoren wie Motivationslage, Umgang mit Perfektionismus und Strategien der KI-Einbettung abhängig.
Die vorliegenden Studienergebnisse legen nahe, dass eine gesteigerte und kontinuierliche Nutzung von KI-Technologien – hier repräsentiert durch ChatGPT – durchaus zu einer Beschleunigung menschlicher Denkprozesse führen kann. Diese Beschleunigung manifestiert sich zum einen in verkürzten Reaktionszeiten, zum anderen in einer erhöhten Lösungseffizienz bei zeitlich limitierten Problemlöse- und Bearbeitungsaufgaben. Allerdings lässt sich kein einheitliches Bild für alle Personen zeichnen; vielmehr prägen das jeweilige kognitive Ausgangsniveau und die Art der Einbettung von KI die tatsächliche Stabilität und Ausprägung des Beschleunigungseffekts.
Die analysierten Daten weisen darauf hin, dass insbesondere durchschnittlich intelligente Probandinnen und Probanden am stärksten und zugleich beständigsten von einer erhöhten KI-Nutzung profitieren. In diesem Cluster ließ sich ein systematischer Transfer von der KI-gestützten Beschleunigung hin zu einer autonom schnelleren Informationsverarbeitung erkennen; viele Teilnehmende behielten auch in „Offline-Situationen“ (d. h. ohne aktiven KI-Einsatz) ein deutlich gesteigertes Arbeitstempo bei. Dieser Befund deutet darauf hin, dass KI-Anwendungen in dieser Gruppe als Lernpartner wahrgenommen wurden. Die Teilnehmenden entnahmen der KI Hinweise oder Strategien, welche die eigenen kognitiven Ressourcen erweiterten, ohne dass die KI permanent als „Krücke“ fungieren musste.
Die wenig intelligenten Probandinnen und Probanden erzielten zwar kurzfristig rasche Fortschritte in ihrer Verarbeitungsgeschwindigkeit, erreichten jedoch kein konsistentes oder eigenständiges Wachstum ihrer Denkprozesse. Sobald der KI-Einsatz wegfiel, fiel das Tempo auch wieder ab, was vermuten lässt, dass sie sich primär auf die „Komfortfunktion“ von ChatGPT verließen. Ihr Zuwachs war zwar statistisch signifikant, erwies sich jedoch als weniger robust und nachhaltig.
Im hochbegabten Cluster zeigte sich ein ambivalentes Bild. Während bereits bekannte Domänen teilweise noch effizienter bearbeitet wurden, führte Perfektionismus in neuen Themenfeldern oft zu einer verhaltenen oder gar fehlenden Beschleunigung. Dies bestätigt die Annahme, dass hochintelligente Personen die KI vor allem dann als Beschleuniger einsetzen, wenn sie sich in vertrauten Bereichen bewegen, und andernfalls eher in Validierungsschleifen geraten, die Geschwindigkeitseinbußen nach sich ziehen.
In der Gesamtschau kann die Frage „Beschleunigt KI den Denkprozess?“ somit nicht generell mit Ja oder Nein beantwortet werden, sondern erhält ein differenziertes Ja, das bestimmte Voraussetzungen erfordert: Die Teilnehmenden sollten eine gewisse Offenheit mitbringen, ChatGPT nicht nur als Endlösung, sondern als kognitives Werkzeug zu nutzen, welches sie selbst aktiv in ihre Denkstrategien integrieren. Dies gelingt besonders gut, wenn das Intelligenzniveau und die Lernmotivation in einem „harmonischen“ Bereich liegen, in dem die KI als Partner und nicht als reiner Ersatz fungiert.
In der kognitiven Psychologie wurde schon in klassischen Studien zum Extended-Cognition-Ansatz (Clark & Chalmers, 1998) diskutiert, inwieweit externe Werkzeuge Denkprozesse entlasten oder beschleunigen können. Bisherige Befunde zur digitalen Unterstützung (z. B. Google als Recherchetool, semantische Datenbanken) legen nahe, dass Menschen häufig schnelle „Workarounds“ finden, wenn ihnen umfangreiche Informationen direkt zur Verfügung stehen. Die hier erhobenen Daten passen zu dieser Linie, erweitern sie jedoch durch die Langzeitperspektive und die explizite Fokussierung auf das Arbeitstempo. Die Studie zeigt, dass die anfängliche Beschleunigung nicht automatisch stabil bleibt, sondern von persönlichen (Motivation, Selbstwirksamkeit) und kognitiven (IQ-Cluster) Faktoren moderiert wird.
Im Bereich KI-Forschung bestätigen frühere Pilotstudien (Wu et al., 2016; Susskind, 2017) eine gewisse Beschleunigung von Arbeitsabläufen durch algorithmische Systeme. Allerdings gab es oft Kritik daran, dass „schnellere Ergebnisse“ nicht zwingend auf „schnelleres Denken“ schließen lassen, solange ein großer Teil der Arbeit von der Maschine selbst übernommen wird. Die vorliegende Studie adressiert genau dieses Defizit, indem sie sowohl Tests mit KI als auch Tests ohne KI durchführt und die Veränderungen im Zeitverlauf erfasst. Der signifikante Anteil an Teilnehmenden, der auch in Offline-Szenarien ein höheres Tempo beibehielt, zeigt, dass durchaus Lern- und Transferprozesse stattfinden können. Vergleichbar sind diese Ergebnisse mit Konzepten, die in der pädagogischen Psychologie diskutiert werden, wonach ein intensiver Umgang mit problemzentrierter Technologie zu einer Übernahme neuer Strategien ins eigene Denkverhalten führen kann.
Obwohl die Ergebnisse insgesamt auf eine tendenziell positive Wirkung von KI-Anwendungen in Bezug auf Denkgeschwindigkeit schließen lassen, weisen sie auch auf verschiedene Risikofaktoren und Begrenzungen hin:
Die gesammelten Befunde machen somit deutlich, dass die Beschleunigung des Denkprozesses durch KI-Systeme nicht einfach als „automatischer“ Gewinn zu sehen ist. Sie setzt vielmehr eine reflektierte und kompetente Einbettung der KI in die individuellen Denk- und Lernprozesse voraus. Auch Faktoren wie die domänenspezifische Eignung von ChatGPT, eine regelmäßige Überprüfung der KI-Antworten und ausreichende Bereitschaft zur Weiterentwicklung eigener Strategien sind für einen stabilen, positiven Effekt entscheidend.
Aus einer wissenschaftlich-theoretischen Perspektive bekräftigt das Studiendesign, dass sich kognitive Psychologie, Intelligenzforschung und KI-Anwendungsforschung gegenseitig ergänzen müssen, um zu verstehen, wie Menschen Technik nicht nur als Entlastungswerkzeug, sondern als Katalysator für eigene Denkfortschritte nutzen können. Gleichzeitig wird in praktischer Hinsicht deutlich, dass Schulungs- oder Trainingskonzepte für KI (z. B. in Unternehmen oder Bildungseinrichtungen) neben technischen Bedienfähigkeiten auch metakognitive Kompetenzen und Strategien zum Umgang mit Unsicherheit und Perfektionismus fördern sollten.
Die vorliegende Studie hat gezeigt, dass eine steigende und kontinuierliche Nutzung von KI-Tools – konkret ChatGPT – im Untersuchungszeitraum von drei Monaten zu einer signifikanten Beschleunigung kognitiver Prozesse führen kann. Gemessen wurde dieser Effekt unter anderem über gesunkene Reaktionszeiten und eine erhöhte Zahl gelöster Aufgaben in zeitbegrenzten Tests. Dabei wurde eine klare Abhängigkeit des Ausmaßes der Beschleunigung von Intelligenzcluster, Selbstwirksamkeit und Lernmotivation bestätigt:
Obgleich die Studie eine erste Längsschnittperspektive über drei Monate lieferte, zeigen sich mehrere Richtungen für vertiefende Forschung:
Ein zentraler Ausblick ist die Frage, wie sich die Langzeitauswirkungen jenseits der relativ kurzen Drei-Monats-Spanne gestalten. Es lässt sich vermuten, dass sich entweder stabile Beschleunigungseffekte in den persönlichen Arbeits- und Lernalltag integrieren oder dass, je nach Motivations- und Selbstwirksamkeitslage, ein Teil der Zugewinne verblasst. Zukünftige Studien, die ein Jahr oder länger ansetzen, könnten klären, ob sich die KI-getriebene Schnell-Lernphase durch zusätzliche didaktische Elemente (z. B. begleitende Workshops, Mentorenprogramme) weiter ausbauen lässt.
Gerade in Bildungskontexten (z. B. Schulen, Universitäten) und in Entwicklungsprogrammen für Erwachsene (z. B. in Unternehmen) dürften neue, auf KI zugeschnittene didaktische Konzepte der Schlüssel dafür sein, individuelle Denkprozesse konsistent zu beschleunigen, ohne dass Qualität oder Tiefe der Inhalte darunter leiden. Wichtig erscheint, eine Balance zu finden, bei der KI als Katalysator statt als Ersatz für eigenständige Kompetenz dient. Erst dann lässt sich das Potenzial der Technologie voll ausschöpfen: eine nachhaltige kognitive Entwicklung, von der nicht nur die einzelnen Anwenderinnen und Anwender, sondern auch Bildungsinstitutionen und Wirtschaftsbetriebe profitieren könnten.