Studie

„KI macht dumm!?“

Eine explorative Längsschnittstudie zur Analyse der Auswirkungen von KI-Nutzung auf die Intelligenz
Autor
Brand Science Institute
Veröffentlicht
26. Dezember 2024
Views
1076

1. Einleitung und Zielsetzung

Mit dem rasanten Fortschritt auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz (KI) hat sich für viele Menschen ein vollkommen neuer Zugang zum Wissen eröffnet. Insbesondere Chatbots wie ChatGPT ermöglichen es, in Sekundenschnelle umfangreiche Informationen abzurufen, komplexe Fragestellungen zu bearbeiten und sogar kreative Inhalte zu generieren. Die dadurch entstehenden Veränderungen im Lern- und Arbeitsverhalten werden kontrovers diskutiert. Eine weitverbreitete Sorge ist, dass der häufige oder sogar übermäßige Einsatz von KI-Anwendungen dazu führen könnte, dass Menschen weniger selbstständig denken und damit auf lange Sicht „dümmer“ werden.
Vor diesem Hintergrund wurde die vorliegende explorative Studie konzipiert, um empirische Erkenntnisse darüber zu gewinnen, welche Auswirkungen die Nutzung einer KI (in diesem Fall ChatGPT) auf die Intelligenz, die Selbstwirksamkeit und die Lernmotivation hat. Dabei interessierte insbesondere, ob unterschiedliche Intelligenzcluster (wenig, durchschnittlich und hoch intelligent) unterschiedlich stark von der KI-Nutzung profitieren oder unter ihr leiden könnten.

2. Studiendesign und Methodik

2.1 Stichprobe und Auswahlverfahren

In einem großangelegten Screening wurden 231 Probandinnen und Probanden im Alter zwischen 30 und 55 Jahren ausgewählt, die bereits erste Erfahrungen im Umgang mit KI, speziell mit ChatGPT, hatten. Dabei wurde bewusst auf eine breite Varianz hinsichtlich Bildung und sozioökonomischem Status geachtet, um möglichst repräsentative Subgruppen zu erhalten.
Die Probandinnen und Probanden wurden zunächst anhand von Proxy-Variablen (z. B. formaler Bildungsabschluss, Art der beruflichen Tätigkeit, Einkommen) in drei Cluster eingeteilt:
  1. Wenig intelligente Probanden
  2. Durchschnittlich intelligente Probanden
  3. Hoch intelligente Probanden
Die Probandinnen und Probanden wurden zunächst anhand von Proxy-Variablen (z. B. formaler Bildungsabschluss, Art der beruflichen Tätigkeit, Einkommen) in drei Cluster eingeteilt:

2.2 Untersuchungszeitraum und Messzeitpunkte

Die Studie erstreckte sich über einen Zeitraum von drei Monaten und umfasste vier Erhebungszeitpunkte:
  1. T1 (Eingangsmessung): Bestimmung des Intelligenzstatus mithilfe der Wechsler-Abbreviated Scale of Intelligence (WASI), Erfassung von Selbstwirksamkeit und Lernmotivation.
  2. T2 (nach vier Wochen): Zweite Erhebungswelle, erneute Messung derselben Variablen.
  3. T3 (nach acht Wochen): Dritte Erhebungswelle, erneute Messung.
  4. T4 (nach zwölf Wochen): Abschlussmessung.
Zwischen den Messzeitpunkten wurden die Probandinnen und Probanden angehalten, ihre Nutzung von ChatGPT zu steigern und den Einsatz möglichst vielfältig zu gestalten. Das Ausmaß der Nutzung wurde zusätzlich im Rahmen von kurzen Fragebögen erfasst, in denen die Teilnehmenden sowohl quantitative Angaben (z. B. Nutzungsfrequenz pro Woche) als auch qualitative Einschätzungen (z. B. empfundene Nützlichkeit) machten.

3. Messinstrumente

3.1 Wechsler-Kurzform (WASI)

Um einen möglichst ökonomischen und gleichzeitig validen Überblick über das Intelligenzprofil der Probandinnen und Probanden zu erhalten, wurde die Wechsler Abbreviated Scale of Intelligence (WASI) eingesetzt. Diese Kurzform des Wechsler-Intelligenztests besteht aus 2 oder 4 Untertests:
  • 2-Subtest-Version:
    • Wortschatz (Vocabulary)
    • Matrix Reasoning (Matrix-Test)
    • Liefert einen globalen IQ-Wert, jedoch ohne differenzierte Unter-Skalen.
  • 4-Subtest-Version:
    • Wortschatz (Vocabulary)
    • Gemeinsamkeiten finden (Similarities)
    • Mosaik-Test (Block Design)
    • Matrix Reasoning (Matrix-Test)
    • Ermöglicht eine etwas detailliertere Erfassung sowohl verbaler als auch nonverbaler Intelligenzanteile.
Die Studie bediente sich der 4-Subtest-Version, um ein breiteres Spektrum kognitiver Fähigkeiten zu erfassen. Zu den besonders relevanten Untertests zählten:
  • Wortschatz (Vocabulary): Erfassung des sprachlichen Ausdrucksvermögens und des Wortschatzumfangs.
  • Gemeinsamkeiten finden (Similarities): Abstraktes, kategoriales Denken im sprachlichen Bereich.
  • Matrix Reasoning: Nonverbales, abstraktes Denken und Mustererkennung.
  • Mosaik-Test (Block Design): Räumlich-visuelle Verarbeitung, Auge-Hand-Koordination und logische Synthese.

3.2 Messung der Selbstwirksamkeit (GSES/SWE)

Zur Erfassung der allgemeinen Selbstwirksamkeit kam die von Schwarzer und Jerusalem (1995) entwickelte Allgemeine Selbstwirksamkeitsskala zum Einsatz, die aus 10 Items besteht. Beispiele für typische Items sind:
  1. „Wenn sich Widerstände auftun, finde ich Mittel und Wege, mich durchzusetzen.“
  2. „Ich bin zuversichtlich, auch unerwartete Situationen erfolgreich meistern zu können.“
  3. „Dank meiner Fähigkeiten kann ich Probleme lösen, wenn ich es wirklich will.“
Die Antworten werden meist auf einer 5-stufigen Likert-Skala (z. B. von „trifft gar nicht zu“ bis „trifft voll zu“) erhoben. Diese Skala misst das generelle Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, Herausforderungen zu bewältigen.

3.3 Messung der Lernmotivation (MSLQ)

Um die Lernmotivation zu erfassen, nutzte die Studie eine adaptierte Fassung des Motivated Strategies for Learning Questionnaire (MSLQ) von Pintrich, Smith, Garcia & McKeachie (1993). Diese Skala deckt sowohl intrinsische als auch extrinsische Motivationsaspekte ab und kann wertvolle Informationen über die innere Antriebskraft (z. B. Interesse am Lernen, Freude am Entdecken) liefern. Darüber hinaus beinhaltet das MSLQ Aspekte wie Kontrollüberzeugungen (Self-Efficacy im Lernkontext) und Prüfungsangst.

4. Ergebnisse

Nach Ablauf der dreimonatigen Studienphase wurden die Veränderungen in den drei definierten Clustern (wenig, durchschnittlich und hoch intelligente Probanden) analysiert. Eine Übersicht über die zentralen Befunde findet sich in den folgenden Unterkapiteln.

4.1 Cluster „Wenig intelligente Probanden“

Probandinnen und Probanden, die im Eingangstest (T1) einen relativ niedrigen IQ-Wert aufwiesen, profitierten nachweislich von der intensiven Nutzung von ChatGPT:
  1. Kognitive Verbesserungen:
    • Ein signifikanter Anstieg zeigte sich vor allem im Untertest Wortschatz (Vocabulary). Viele Teilnehmende berichteten, dass sie neue Wörter und Ausdrücke durch die Interaktion mit der KI lernten und diese in ihren eigenen Sprachgebrauch übernahmen.
    • Im Bereich Matrix Reasoning (nonverbale Mustererkennung) gab es ebenfalls moderate Zugewinne. Offenbar regten die Vorschläge und Beispiele der KI zur Auseinandersetzung mit abstrakten Denkmustern an.
  2. Erhöhung der Selbstwirksamkeit:
    • Die allgemeine Selbstwirksamkeitsskala (SWE) zeigte eine deutliche Steigerung. Die Nutzung von ChatGPT vermittelte den Teilnehmenden das Gefühl, Probleme aller Art zumindest mit Unterstützung lösen zu können.
  3. Abnahme der Lernmotivation:
    • Trotz der kognitiven Fortschritte sank in dieser Gruppe die Lernmotivation teilweise erheblich. Befragungen ergaben, dass viele Probandinnen und Probanden sich an das Gefühl gewöhnten, dass „die KI alles löst“ und dadurch weniger Antrieb hatten, selbst etwas zu erarbeiten.
    • Diese Diskrepanz (Zunahme an Fähigkeiten, aber sinkende Lernmotivation) könnte mittelfristig zu einer Stagnation führen, wenn die externe Unterstützung nicht mehr als Sprungbrett, sondern als dauerhafte Krücke empfunden wird.

4.2 Cluster „Durchschnittlich intelligente Probanden“

Die Probandinnen und Probanden dieses Clusters zeigten über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg die positivste Entwicklung:
  1. Deutliche IQ-Steigerungen:
    • Sowohl die verbalen als auch die nonverbalen Fähigkeiten stiegen signifikant an. Die Analyse der Untertests ergab besondere Verbesserungen in Similarities und Matrix Reasoning.
    • Der Wortschatz wuchs ebenfalls, wenn auch nicht so stark wie im Cluster der wenig intelligenten Teilnehmenden.
  2. Zuwachs an Selbstwirksamkeit:
    • Die allgemeine Selbstwirksamkeit konnte in dieser Gruppe am stärksten gesteigert werden. Viele Befragte gaben an, sich durch die erfolgreiche Interaktion mit der KI bestärkt zu fühlen, auch neue oder komplexe Themengebiete zu erkunden.
  3. Erhöhte Lernmotivation:
    • Die meisten Probandinnen und Probanden berichteten, durch die Nutzung von ChatGPT neugieriger und experimentierfreudiger zu werden. Lernängste oder Befürchtungen, „etwas nicht zu schaffen“, nahmen deutlich ab.
    • Diese positive Rückkopplung (Mehr Lernerfolg führt zu mehr Motivation) legt nahe, dass hier ein stabiler Kreislauf der Lernbereitschaft in Gang gesetzt wurde.
Interessant war außerdem, dass das Selbstbild der durchschnittlich intelligenten Personen sich wandelte. Während einige zu Beginn der Studie eher neutral über ihre kognitiven Fähigkeiten urteilten, äußerten sie nach drei Monaten, dass sie sich „deutlich kompetenter“ und „vielseitiger informiert“ fühlten.

4.3 Cluster „Hoch intelligente Probanden“

Die „hoch intelligenten“ Probandinnen und Probanden erlebten die KI-Nutzung als ambivalentes Phänomen:
  1. Stabile IQ-Werte:
    • Die Ergebnisse im Wechsler-Kurztest blieben insgesamt nahezu unverändert. Die bereits sehr hohen Ausgangswerte ließen wenig Raum für weitere Steigerungen.
  2. Leichter Rückgang der Selbstwirksamkeit:
    • Ein Teil der Befragten berichtete von Frustration und Perfektionismus beim Umgang mit ChatGPT. Anstatt schnelle Hilfe zu begrüßen, setzten sie sich selbst unter Druck, möglichst viele Iterationen durchzuführen, um das „bestmögliche“ Ergebnis aus der KI herauszuholen.
    • In manchen Fällen führte dieser Perfektionismus zu einer Abnahme des Gefühls, Herausforderungen eigenständig meistern zu können, weil die Befragten permanent das Gefühl hatten, noch mehr aus der KI herausholen zu müssen.
  3. Ambivalente Lernmotivation:
    • In stark interessierenden Bereichen (z. B. einem Fachgebiet, in dem die Person bereits über umfangreiches Wissen verfügte) zeigte sich ein positiver Effekt. Die KI wurde als Inspiration verstanden, wodurch die Lernmotivation sogar anstieg.
    • In weniger vertrauten Bereichen hingegen äußerten einige Teilnehmende Unsicherheiten. Da sie merkten, dass ihnen die nötige Fachgrundlage fehlte, gaben einige von ihnen auf, bevor sie sich intensiver mit dem Thema beschäftigen konnten.

4.3 Cluster „Hoch intelligente Probanden“

Untenstehende Tabelle fasst die wesentlichen Ergebnisse der drei Cluster (wenig intelligent, durchschnittlich intelligent, hoch intelligent) zusammen. Sie verdeutlicht, wie sich der Einsatz von KI in Bezug auf den Wechsler-Kurztest (z. B. Wortschatz, Mustererkennung), die Selbstwirksamkeit (SWE) und die Lernmotivation (MSLQ) auswirkte.
Legende:
+ = leichte Zunahme, ++ = starke Zunahme, – = leichte Abnahme, ± = ambivalent, ~ = weitgehend unverändertDiese Zusammenfassung zeigt auf einen Blick, wie differenziert die Auswirkungen von KI-gestütztem Arbeiten ausfallen können. Während einerseits deutliche Verbesserungen in kognitiven Bereichen festzustellen sind, treten zugleich Probleme wie sinkende Lernmotivation oder überhöhte Erwartungen (Perfektionismus) auf, abhängig vom jeweiligen Cluster und dessen Vorerfahrungen.

5. Diskussion der Ergebnisse

Die zentralen Ergebnisse dieser Studie widerlegen die pauschale Behauptung „KI macht dumm“. Stattdessen lassen sich differenzierte Effekte beobachten, die stark von der Ausgangsintelligenz, den individuellen Vorerfahrungen und der Einstellung gegenüber KI-Anwendungen (z. B. ChatGPT) abhängig sind. Aus den untersuchten Daten gehen drei Verhaltensmuster hervor, die sich jeweils durch unterschiedliche Nutzungsweisen und daraus resultierende Auswirkungen auf Intelligenz, Selbstwirksamkeit und Lernmotivation auszeichnen.

5.1 Transactional Behavior – „Wenig intelligente Probanden“

Nutzung als Werkzeug ohne tiefere Auseinandersetzung
Bei Probandinnen und Probanden mit einem vergleichsweise niedrigen Intelligenzniveau wird die KI überwiegend als rein funktionales Werkzeug betrachtet. Diese Personen greifen vor allem dann auf die KI zurück, wenn sie konkrete Probleme lösen oder rasch Informationen beschaffen möchten, ohne längerfristig die Inhalte zu durchdringen oder weiterführende Fragen zu stellen.
Positive kognitive Entwicklungen
Dennoch zeigen sich in dieser Gruppe Verbesserungen bei bestimmten Intelligenzfacetten, insbesondere im Bereich des Wortschatzes und der Mustererkennung. Durch den wiederkehrenden Einsatz von ChatGPT sammeln die Probanden neue Vokabeln, frischen ihr Sprachverständnis auf und lernen mitunter, einfache Zusammenhänge schneller zu erkennen.
Die zentralen Ergebnisse dieser Studie widerlegen die pauschale Behauptung „KI macht dumm“. Stattdessen lassen sich differenzierte Effekte beobachten, die stark von der Ausgangsintelligenz, den individuellen Vorerfahrungen und der Einstellung gegenüber KI-Anwendungen (z. B. ChatGPT) abhängig sind. Aus den untersuchten Daten gehen drei Verhaltensmuster hervor, die sich jeweils durch unterschiedliche Nutzungsweisen und daraus resultierende Auswirkungen auf Intelligenz, Selbstwirksamkeit und Lernmotivation auszeichnen.
Die wichtigste Erkenntnis für diese Gruppe ist, dass ein kurzfristiger kognitiver Zugewinn (z. B. erweiterter Wortschatz) durchaus realisierbar ist, sich jedoch die Fähigkeit zu eigenständigem Lernen abschwächen kann, wenn der innere Antrieb ausbleibt. Folglich bleibt die Frage offen, wie diese Personengruppe motiviert werden kann, die Fortschritte konsequent auszubauen, anstatt in eine passive Konsumentenhaltung zu verfallen.

5.2 Relational Behavior – „Durchschnittlich intelligente Probanden“

KI als Partner im Lern- und Problemlöseprozess
In der Gruppe der durchschnittlich intelligenten Probanden entsteht häufig eine regelrechte Beziehung zwischen Mensch und KI. Die Teilnehmenden nutzen ChatGPT nicht lediglich als schnelle Informationsquelle, sondern als Partner, mit dem sie interagieren, Hypothesen testen und kreative Ideen austauschen können.
Umfassende Steigerung kognitiver und motivationaler Faktoren
Die Daten zeigen, dass sich bei diesen Probanden nahezu alle Intelligenzdimensionen – von verbalen Fähigkeiten (Wortschatz, Similarities) bis hin zum abstrakten Denken (Matrix Reasoning) – signifikant verbessern. Parallel dazu beobachtet man eine deutliche Zunahme der Selbstwirksamkeit und eine intensive Lernmotivation, die sich in einer gesteigerten Neugier sowie in reduzierter Prüfungs- oder Versagensangst äußert.
Positive Rückkopplungsschleife
Ein wichtiger Mechanismus ist hier die positive Rückkopplung:
  • Der wachsende Lernerfolg erhöht das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.
  • Die höhere Selbstwirksamkeit wiederum motiviert, sich neuen Inhalten zu widmen oder tiefer in bestehende Themen einzutauchen.
  • Die Probanden erleben die KI als lernfördernden Begleiter, was zu einer steten Weiterentwicklung führt.
Diese Gruppe profitiert am stärksten von einer ausgewogenen Mischung aus eigener Anstrengung und konstruktiver Unterstützung durch die KI. Die Ergebnisse legen nahe, dass durchschnittlich intelligente Personen genau im „Sweet Spot“ zwischen vorhandener Basisfähigkeit und Offenheit für neue Technologien liegen, was ihnen einen optimalen Lernerfolg ermöglicht.

5.3 Interactional Behavior – „Hoch intelligente Probanden“ (Sparringspartner)

Ambivalentes Nutzungsverhalten
Die hoch intelligenten Probanden weisen ein deutlich ambivalentes Muster auf. Einerseits wird die KI als Sparringspartner genutzt, der bei tiefergehenden und komplexen Fragestellungen neue Perspektiven eröffnet und wertvolle Anstöße liefert. Andererseits können sich in unbekannten oder weniger vertrauten Bereichen Frustration und Perfektionismus einstellen.
Positive Effekte in vertrauten Domänen
In Fachgebieten, in denen bereits ein großes Vorwissen besteht, empfinden diese Probanden den Austausch mit ChatGPT als inspirierend. Sie werden zu noch gründlicheren Analysen angeregt und finden kreative Lösungsvorschläge, die ihnen zuvor möglicherweise nicht in den Sinn gekommen wären. Ihre Lernmotivation bleibt hier hoch oder steigt sogar an, da sie das Gefühl haben, sich auf Augenhöhe mit der KI bewegen zu können.
Negative Effekte in unbekannten Domänen
Anders gestaltet sich die Situation, wenn das Themenfeld dem Probanden weniger vertraut ist. Da hoch intelligente Personen meist hohe Ansprüche an ihre eigene Leistung haben, kann die KI-Nutzung zu einem regelrechten Perfektionszwang führen. In manchen Fällen äußert sich das in zahlreichen Iterationsschleifen, um das „optimale“ Ergebnis zu erhalten, was schließlich zu einer Überforderung oder einem Zweifel an der eigenen Kompetenz führen kann. Die Folge ist eine leichte Abnahme der Selbstwirksamkeit in jenen Bereichen und eine teils widersprüchliche Lernmotivation: Während sie einerseits neugierig sind, empfinden sie andererseits eine große Unsicherheit, die sie bisweilen zurückschrecken lässt.
Insgesamt bleibt der IQ-Wert in dieser Gruppe oft auf sehr hohem Niveau stabil, ohne zusätzliche messbare Steigerungen. Das Ausmaß des persönlichen Gewinns durch die KI variiert stark in Abhängigkeit der thematischen Nähe zum eigenen Expertengebiet.

5.4 Zusammenhänge und Implikationen

Die vorliegenden Befunde verdeutlichen, dass es nicht „die eine“ simple Wirkung von KI auf die menschliche Intelligenz gibt. Vielmehr entstehen unterschiedliche Dynamiken je nach kognitivem Ausgangspunkt und subjektiver Einstellung zur Technologie. Entscheidend ist, ob die Probanden die KI lediglich instrumentell (Transactional), als partnerschaftliche Unterstützung (Relational) oder als Inspiration bzw. Herausforderung (Interactional) wahrnehmen.
  1. Rolle der Selbstwirksamkeit:
    • In allen drei Verhaltensmustern spielt die Selbstwirksamkeit eine Schlüsselrolle. Wenn sie steigt (etwa bei durchschnittlich intelligenten Personen), wird die Lernmotivation angekurbelt, was wiederum den Intelligenzgewinn verstärkt.
    • Sinkt sie jedoch (z. B. aus Perfektionismus oder mangelnder Motivation), kann dies zur Blockade neuer Lernprozesse führen.
  2. Langfristige Konsequenzen:
    • Für Probanden mit relativ niedriger Intelligenz ist die Frage entscheidend, ob sie ihre initialen Fortschritte (z. B. verbesserten Wortschatz) langfristig aufrechterhalten können, trotz sinkender Motivation. Ohne zusätzliche Impulse oder pädagogische Begleitung droht hier eine Stagnation.
    • Durchschnittlich intelligente Personen könnten ihr Potenzial am besten ausschöpfen, wenn sie weiterhin zielgerichtet und reflektiert mit der KI umgehen. Gerade hier besteht jedoch das Risiko, sich irgendwann zu sehr auf die Technologie zu verlassen und das eigenständige Denken zu vernachlässigen.
    • Hoch intelligente Personen laufen Gefahr, sich in Perfektionismus zu verlieren oder bei neuen Themen schnelle Erfolge zu erwarten und dann zu frustriert zu sein, wenn diese ausbleiben. Eine gezielte Support-Struktur (z. B. Mentoring, kollegialer Austausch) könnte hier Abhilfe schaffen.
  3. Didaktische und pädagogische Überlegungen:
    • Die Studie legt nahe, dass individuell angepasste Lernsettings erforderlich sind, um das volle Potenzial von KI-Tools zu entfalten. Dies könnte durch personalisierte Lernplattformen, Tutorien oder Begleitkurse umgesetzt werden, die sowohl die kognitive Ausgangslage als auch die Motivation der Lernenden berücksichtigen.
    • Insbesondere bei wenig intelligenten Personen wäre ein Motivations-Coaching sinnvoll, um die anfangs positiven Effekte (z. B. Fortschritte im Wortschatz) nicht im Keim ersticken zu lassen.
    • Für hoch intelligente Personen könnte ein strukturiertes Feedback-System hilfreich sein, das sie vor überzogenen Iterationsschleifen bewahrt und eine angemessene Balance zwischen Anspruch und Machbarkeit fördert.
In der Summe spiegelt sich in diesen drei Mustern der enorme Gestaltungsspielraum wider, den KI im Lern- und Problemlöseprozess bietet. Während KI-Anwendungen in manchen Bereichen eindeutig zur kognitiven Erweiterung beitragen, bergen sie gleichzeitig Risiken, wenn Nutzerinnen und Nutzer entweder mangelndes eigenes Engagement zeigen oder sich in überhöhten Perfektionsansprüchen verlieren.

5.5 Zusammenfassung

Insgesamt belegt die Studie, dass die These „KI macht dumm“ empirisch nicht haltbar ist. Stattdessen zeigt sich, dass Transaktions-, Beziehungs- und Interaktionsorientierungen maßgeblich dafür sind, ob die KI-nutzung förderlich, hemmend oder sogar ambivalent wirkt. Diese Verhaltensmuster weisen unterschiedliche Chancen und Risiken auf:
  • Wenig intelligente Personen können kurzzeitig ihre Fähigkeiten steigern, verlieren aber langfristig an Lernmotivation, wenn kein geeigneter Anreiz besteht, weiter eigenständig zu lernen.
  • Durchschnittlich intelligente Personen profitieren in starkem Maße von der KI, vorausgesetzt, sie erhalten ausreichend Gelegenheit, ihre positiven Lernerfahrungen zu festigen und ihr Selbstvertrauen weiterzuentwickeln.
  • Hoch intelligente Personen behalten zwar ihr hohes Niveau, laufen jedoch Gefahr, sich durch Perfektionismus oder Unsicherheit in unbekannten Themengebieten zu blockieren.
Die Befunde betonen, wie wichtig es ist, zielgruppenspezifische Strategien im Umgang mit KI zu entwickeln. Wo die einen einen „Schubs“ benötigen, um Lernmotivation aufzubauen, brauchen andere Struktur und Leitplanken, um sich nicht zu verzetteln. Dieser differenzierte Blick wird auch in der weiteren Forschung bedeutsam bleiben, um KI-gestützte Lern- und Arbeitsprozesse so zu gestalten, dass sie nachhaltige kognitive und motivationale Fortschritte ermöglichen.

6. Fazit

Die Behauptung, dass „KI dumm macht“, kann auf Grundlage der vorliegenden Längsschnittanalyse nicht bestätigt werden. Vielmehr zeigt sich, dass die Nutzung von ChatGPT zu einer Steigerung von Teilaspekten menschlicher Intelligenz führen kann, insbesondere bei weniger und durchschnittlich intelligenten Personen. Auch die Selbstwirksamkeit nimmt in den meisten Fällen zu, was sich positiv auf das Selbstvertrauen bei Problemlöseaufgaben auswirkt.
Jedoch lassen sich Nebenwirkungen feststellen. Insbesondere im Cluster der wenig intelligenten Personen sinkt die Lernmotivation, was langfristig zu einer Verflachung der Lernkurve führen könnte, wenn die Vorteile der KI die Neugier und eigene Anstrengung dauerhaft ersetzen. Bei hoch intelligenten Personen hingegen kann eine ambivalente Haltung entstehen, die einerseits in einigen Bereichen kreative Synergie mit der KI begünstigt und andererseits in weniger vertrauten Domänen zu Unsicherheiten und Frustration führt.
Insgesamt deutet diese Studie darauf hin, dass KI als Katalysator für Lernprozesse fungieren kann. Sie macht jedoch nicht von sich aus „dumm“ oder „schlau“; entscheidend sind die Art und Intensität der Nutzung sowie das Ausgangsniveau und die Einstellung der Nutzerinnen und Nutzer.

7. Ausblick

Die vorliegenden Befunde liefern vielfältige Anregungen für weitere Forschung. Zum einen wäre eine Langzeitstudie über zwölf oder mehr Monate sinnvoll, um zu prüfen, ob sich die in dieser Untersuchung ermittelten Effekte stabilisieren, verstärken oder abschwächen. Dabei könnte es auch interessant sein zu untersuchen, wie sich unterschiedliche didaktische Interventionen – etwa Trainings, Tutorials oder Feedbackgespräche – auf die Motivation, die Selbstwirksamkeit und das kognitive Wachstum im Umgang mit KI auswirken.
Darüber hinaus wäre eine detailliertere Betrachtung unterschiedlicher Alters- und Geschlechtsgruppen lohnenswert. Erste Trends in dieser Studie weisen darauf hin, dass jüngere Menschen tendenziell spielerischer mit der KI umgehen und weniger Hemmungen haben, während Frauen häufiger als Männer intensiv mit der KI interagierten und dabei weniger Frustration empfanden. Diese Aspekte könnten in einer spezifisch ausgerichteten Untersuchung vertieft werden.
Nicht zuletzt stellt sich die Frage, wie man für hoch intelligente Personen ein unterstützendes Umfeld schaffen kann, in dem das „Interactional Behavior“ nicht in Perfektionismus und Frustration mündet, sondern in konstruktive und inspirierende Lernprozesse. Hier könnten kollaborative Lernmodelle (z. B. Peer-Learning oder Gruppenarbeit mit KI-Begleitung) eine sinnvolle Option sein, um das Potenzial der KI besser auszuschöpfen.
Zusammenfassend zeigt sich, dass Künstliche Intelligenz nicht pauschal mit einem Verlust an menschlicher Intelligenz einhergeht. Vielmehr liegt es am jeweiligen Lernverhalten und den Ausgangsvoraussetzungen, ob KI als Chancengeber oder als Blockade wahrgenommen wird. Eine gezielte Weiterentwicklung der KI-gestützten Lern- und Arbeitsprozesse und eine bewusste Reflexion des eigenen Umgangs mit der Technologie kann dazu beitragen, die positiven Effekte zu maximieren und mögliche negative Begleiterscheinungen (z. B. Motivationsabfall, Abhängigkeit, Frustration) zu minimieren.
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