Einleitung
Mit dem zunehmenden Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in Alltag, Arbeitswelt und Bildung stellt sich die Frage, wie der individuelle Wissensstand der Nutzerinnen und Nutzer deren Umgang mit diesen Technologien beeinflusst. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Phänomen des „Fear of Missing Out“ (FOMO), also die Angst, wichtige Informationen, Trends oder Funktionsweisen zu verpassen. Unsere Untersuchung zielte darauf ab, den Zusammenhang zwischen subjektiv eingeschätztem Wissensniveau, FOMO, der Schwierigkeit und Häufigkeit von Prompt-Iterationen sowie dem „Involvement“ in Bezug auf das Nutzungsergebnis eines KI-Tools zu beleuchten. Unter „Involvement“ verstehen wir hier den Grad der wahrgenommenen Bedeutung, den Teilnehmende dem Erreichen eines optimalen KI-Ergebnisses beimessen.
Methode
Methode
In einer Studie mit rund 1000 Probanden schätzten diese zunächst ihr eigenes Wissen bezüglich eines spezifischen Themenfeldes ein. Anschließend wurden ihr erlebtes FOMO, ihre wahrgenommene Schwierigkeit bei der Formulierung effektiver Prompts, die durchschnittliche Anzahl der notwendigen Iterationen bis zur Zufriedenheit mit dem Ergebnis sowie ihr Involvement erhoben. Das Wissensniveau wurde auf einer 5-Punkt-Skala erfasst (von „überhaupt kein Wissen“ bis „sehr umfangreiches Wissen“). Das Involvement ermittelten wir über eine separate Skala, wobei hohe Werte für eine hohe subjektive Wichtigkeit des KI-Ergebnisses stehen.
Ergebnisse
Ergebnisse
In der folgenden Tabelle sind die Durchschnittswerte für FOMO, wahrgenommene Schwierigkeit und die durchschnittliche Iterationsanzahl, aufgeschlüsselt nach Wissensniveau und Involvement, dargestellt. Es wurde dabei zwischen niedrigerem Involvement (I_low) und höherem Involvement (I_high) unterschieden. Auffällig ist der besonders ausgeprägte Effekt des „Halbwissens“ (moderates Wissen) bei hohem Involvement: Hier führen mittlere Kenntnisse in Kombination mit hoher Bedeutung des Ergebnisses zu den stärksten FOMO-Werten, den höchsten Schwierigkeiten und der größten Anzahl an Iterationen.
Die Tabelle zeigt, dass das mittlere Wissensniveau (Gruppe 3) bei hohem Involvement (I_high) die ausgeprägtesten negativen Effekte auf FOMO, Schwierigkeit und Iterationsanzahl hat. Personen mit sehr geringem oder sehr hohem Wissen sind weniger stark betroffen, auch wenn ein höheres Involvement allgemein alle Werte leicht anhebt.
Interpretation
Die Befunde deuten darauf hin, dass insbesondere ein mittleres Wissensniveau in Kombination mit einem hohen Involvement eine Unsicherheit erzeugt: Die Betroffenen wissen genug, um den Wert weiterführender Kenntnisse und besserer Prompt-Techniken zu erkennen, messen dem Ergebnis aber zugleich eine so hohe Bedeutung bei, dass sie stärker unter FOMO leiden und mehr Zeit in iterative Verfeinerung investieren. Je höher das Involvement ist, desto ausgeprägter zeigt sich dieser Effekt, da die Teilnehmenden stärker darauf bedacht sind, ein optimales Resultat zu erzielen, ohne allerdings über ausreichend Wissen zu verfügen, um dies rasch zu erreichen.
Diskussion und Ausblick
Unsere Ergebnisse liefern wertvolle Hinweise darauf, dass der individuelle Wissensstand und das Involvement eine wesentliche Rolle in der Interaktion mit KI-Systemen spielen. Während völlige Neulinge möglicherweise noch unbefangen an die Technologie herangehen, ohne allzu hohe Erwartungen zu haben, und Expertinnen sowie Experten dank ihrer Erfahrung gezielt agieren können, ist der Bereich dazwischen – insbesondere bei hoher wahrgenommener Wichtigkeit des Ergebnisses – durch Unsicherheit, FOMO und iterative Schleifen gekennzeichnet.
Dieser Befund ist langfristig relevant, da sich in einer Gesellschaft, in der KI immer selbstverständlicher genutzt wird, viele Menschen möglicherweise auf einem mittleren Wissensniveau einpendeln. Wenn dann auch noch das Involvement hoch ist, etwa weil berufliche oder persönliche Entscheidungen von KI-Ergebnissen abhängen, verstärkt sich der Druck, „nichts zu verpassen“. Dies könnte wiederum dazu führen, dass durch die Eskalation des FOMO-Effekts in Form wahrgenommener Frustration langfristig das allgemeine Wissensniveau abnimmt, weil es bequemer ist ohne tiefes Fachwissen AI-Applikationen zu nutzen und Frustrationsmomente zugunsten der Bequemlichkeit zu vermeiden.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, sind Bildungskonzepte und Trainingsprogramme nötig, die insbesondere im mittleren Wissensbereich ansetzen und gleichzeitig das Involvement berücksichtigen. Ziel ist es, Nutzerinnen und Nutzer sowohl fachlich als auch mental über den kritischen Punkt der Unsicherheit hinwegzuführen, indem sie lernen, Wissenslücken eigenständig und effizient zu schließen. So kann vermieden werden, dass sich ein Teufelskreis aus mittlerem Wissen, hoher Wichtigkeit, FOMO und ineffizienter Nutzung etabliert und die Nutzung von AI zu belanglosen Ergebnissen führt. Eine solche proaktive Herangehensweise ist ein wichtiger Schritt, um das Potenzial der KI voll auszuschöpfen, eine schleichende Erosion des gesellschaftlichen Wissensstands zu verhindern und Nutzende vor dauerhaftem Stress durch FOMO zu bewahren.